Macabros 030: Tempel der Versteinerten
Gespräch nicht verstand, bot
sich folgende Szene: In dem privaten Tempel vor dem schmalen Altar,
auf dem die selbstgeschaffene Skulptur saß, lehnte ein Mann
mittleren Alters, hatte die Augen geschlossen und schlief.
Die Räucherstäbchen glommen, und die Atmosphäre im
Innern des Raums war eigenartig und auf scheinbar unerklärliche
Weise unterkühlt.
Ein eisiger Hauch wehte durch die Räume.
Die Augen der Skulptur bewegten sich und nahmen einen tiefen,
dunklen Glanz an. Dann löste sich etwas aus der etwa
fünfzig Zentimeter hohen Figur. Niemand hätte es sehen,
aber fühlen können. Der Glanz in den Augen der
Götzenstatue erlosch wie das Licht einer Kerze, das jemand
ausblies.
Aii-Ko’on-Taks Geist schwebte durch den Raum, unsichtbar und
doch fühlbar.
Das geheimnisvolle, nicht wahrnehmbare Wesen glitt aus dem
Mini-Tempel, war schwerelos wie Luft und erreichte den
großzügigen Korridor, in dem noch das flache Gefährt
stand, auf dem Jane Goodwins Statue lag.
Unsichtbare Hände richteten die scheinbar schwerelose Statue
auf und hoben sie von dem Gefährt. Jane Goodwins Marmorleib
schwebte durch die Lüfte und landete in dem großen Raum,
in dem unzählige Marmorstatuen standen, ausschließlich
junge schöne Frauen, die Lee Batskill im Lauf von zwanzig Jahren
in sein Haus gelockt und deren Lebenskraft die geheimnisvolle
Göttin für sich in Anspruch genommen hatte.
Jane Goodwin erhielt ihren Platz in Lee Batskills makabrem
Museum.
Eine schweigende, faszinierende und erschreckende Welt! Leblose
Statuen, die aus lebenden Körpern geworden waren, füllten
den Raum. Allein in diesem großen Saal waren rund dreißig
Statuen untergebracht!
Jane Goodwins Statue stand gerade still, als unten im Hof
Motorgeräusch ertönte. Ein Wagen stoppte mit relativ hoher
Geschwindigkeit.
Joe, Andy und ein uniformierte Beamter saßen in dem
Streifenwagen, und das lauernde Geistwesen schwebte die Treppe nach
unten…
*
»Pepe?«
Björn Hellmark schrie laut und deutlich den Namen, und sein
Ruf hallte durch die Dämmerung der fremden Insel.
Er rannte los und suchte Büsche und Sträucher ab, die
unmittelbare, noch zugängliche Umgebung.
Das begriff er nicht! Ein Mensch konnte sich nicht in Luft
auflösen!
Er lief in das Dickicht und ließ Yümaho zurück,
der seinen prächtigen Kopf über das Gebüsch streckte,
als müsse er unbedingt sehen, was Hellmark tat. Zweige knackten,
Äste brachen. Hellmark schlug sich mit dem magischen Schwert
einen Weg in das Gestrüpp.
Fieberhafte Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
Wie lange war er weg gewesen, um Hasard Kolon zu bestatten?
Vielleicht zwanzig Minuten. Wenn Pepe in der Zwischenzeit erwachte,
dann würde er bestimmt nicht einfach ziellos durch die Gegend
laufen, um ihn zu suchen. Der Junge würde nach ihm rufen…
aber er, Kaphoon, würde ihn dann nicht hören! Das
rauschende, zischende Wasser in den schroffen Klippen
übertönte jedes Geräusch.
Noch eine andere Möglichkeit gab es, und die erschien ihm
wahrscheinlicher und logischer.
Pepe konnte sich denken, daß sein Begleiter ihn nicht allein
zurücklassen würde. Wenn er wirklich aufgewacht war und
feststellte, daß Kaphoon fehlte, würde er warten. Der
Junge war ohne sein eigenes Dazutun in eine Gefahr geraten.
Auf dieser Insel wimmelte es von Wahnsinnigen und Geistern und
Untoten, wenn man den Worten Hasard Kolons Glauben schenkte.
Sie waren beobachtet und belauscht worden! Die ganze Zeit,
während er sich um den Todkranken kümmerte, mußte
jemand in der Nähe gewesen sein.
Der Gedanke an diese Möglichkeit versetzte ihn in eine
gewisse Angst.
Er stürmte durch das Buschwerk und lief zurück zu dem
Platz, wo der Hengst wartete. Björn sprang auf das Pferd.
»Los, Yümaho!« stieß er hervor. Das Pferd
warf sich herum und stürmte den Weg entlang, der in die
Dschungelwelt führte.
Die Dämmerung war in diesen Minuten Hellmarks schlechtester
Vertrauter. Er nahm keine Spuren wahr.
In den ersten fünf Minuten ritt er ziemlich stramm.
Yümaho war trotz der kräftezehrenden Minuten auf dem Schiff
und des anschließenden unfreiwilligen Bades in dem tosenden
Wasser verhältnismäßig gut in Form. Er konnte
Kräfte mobilisieren – oder die kurze Zeit der Ruhe hier
oben auf dem Plateau genügten ihm schon sich zu regenerieren.
Björn entdeckte immer wieder neue erstaunliche Seiten an dem
Hengst, den ihm der Zufall in die Hände gespielt hatte und der
treu war wie ein Hund.
Dann ritt Björn langsamer, spähte
Weitere Kostenlose Bücher