Macabros 032: Kreatur der Verdammnis
verließ
sein Zimmer, und ging zum See hinunter. Als harmloser Angler suchte
er sich abseits in einer kleinen verschwiegenen Bucht ein
Plätzchen, ließ sich auf seinen zusammenklappbaren Stuhl
nieder und bereitete die Angel vor. Er befand sich unweit der Stelle
wo er in der letzten Nacht seinen Spaziergang gemacht hatte, und mit
ein wenig Phantasie glaubte er am Hang drüben hinter der dichten
Mauer aus Bäumen und Sträuchern die Umrisse des Hauses der
Schauspielerin zu erkennen.
Er mußte an eine Bemerkung Romy Soranos denken, die in ihrem
ersten Entsetzen davon gesprochen hatte, daß sie Besuch aus der
Nachbarschaft hatte… von einer Freundin…, die das verdammte
Blut der Lykantropen in ihren Adern hatte…
Er mußte den Namen der Freundin erfahren, dann war alles
noch viel einfacher – und wenn der heutige Abend ohne eine
wichtige Erkenntnis für ihn verstreichen sollte, dann wollte er
sofort morgen früh noch mal das Gespräch mit Romy Sorano
suchen.
Er wollte ihr und der anderen helfen, die sich tagsüber nicht
an ihre schauerliche Verwandlung erinnerte und das Leben eines ganz
normalen Menschen führte.
*
Es gab soviel zu erzählen, und die Stunden vergingen im Flug.
Hellmark kam sofort auf das Tagebuch zu sprechen. Carminia nahm es
ihm mit überschwenglichem Lachen aus der Hand.
»Es ist bedeutungslos!« rief sie.
»Träume… nichts als Träume… ich schlafe seit
Monaten nicht mehr gut, und Nacht für Nacht hat sich der gleiche
Traum wiederholt… so daß ich zu guter Letzt selbst nicht
mehr wußte, was nun Wirklichkeit und was Traum ist. Die Sorge
um dich hat mich fast um den Verstand gebracht, Björn.«
Das nahm er ihr ab, zumal gerade sie wie keine Zweite wußte,
welchen Gefahren er ständig ausgesetzt war und welche Feinde auf
ihn jederzeit lauerten.
Achtlos warf sie das Buch auf den Tisch. »Vergiß, was
du gelesen hast. Es ist nicht wichtig.«
Irgendwie schien ihm die Lösung zu einfach. Er, der Erfahrung
mit den unsichtbaren Kräften hatte, die wie die sichtbaren
Hunger, Not, Elend, Haß und Krieg den Menschen zusetzten,
wußte er nur zu gut, zu welchen Gemeinheiten Molochos und seine
Schergen fähig waren. Sie hatten furchtbare Träume
geschickt, um Carminias Geist zu verwirren, um sie rastlos zu
machen… und es sah fast so aus, als ob sie ganz dicht vor dem
Ziel gestanden hätten.
Sie ließ ihn nicht dazu kommen, weitere Fragen zu stellen.
Sie verschloß seinen Mund mit Küssen und zog ihn herab
aufs Bett.
Seine Gefühle übermannten ihn, und sie vergaßen
alles um sich herum.
*
Er hatte die Augen halb geschlossen. Sein rechter Arm lag um die
nackten Schultern der schönen Brasilianerin, die sich an ihn
geschmiegt hatte. Tiefe, gleichmäßige Atemzüge
kündeten davon, daß Carminia Brado schlief.
Björn wollte sich vorsichtig von ihr lösen, als er die
Stimme in seinem Bewußtsein vernahm.
Al Nafuur! Der Freund, aus einem jenseitigen Reich suchte
telepathischen Kontakt zu ihm.
›Treulose Tomate!‹ dachte Hellmark, und eine Flut von
Gedanken und Gefühlen entwickelte sich in seinem
Bewußtsein. Er konnte nicht fassen, daß ein halbes Jahr
vergangen war, seitdem er diese geistige Stimme zum letzten Mal
hörte.
»Vielen Dank für die Blumen und die anderen Komplimente,
die in deinem Kopf rumschwirren. Hätte ich mehr Zeit, würde
ich sie analysieren.«
Al Nafuurs knappe, ernste Art irritierte Björn. Der
Zauberpriester aus dem Land Xantilon, der in einem Zwischenreich
existierte, wohin er mit seinesgleichen nach dem Untergang der Insel
geflohen war, hatte sich in der Vergangenheit immer als ein recht
witziger Charakter erwiesen.
Wenn Al Nafuur sich so meldete, stimmte etwas nicht!
Die Gefühle, die mit den Gedanken und Stimmungen des anderen
Geistes in seinen eigenen getragen wurden, bestätigten seine
Vermutung.
»Es ist nicht die Zeit, jetzt eine lange
Begrüßungszeremonie und sinnloses Bla-Bla zu reden, mein
Lieber.« Wenn Al Nafuur so redete, dann hatte Hellmark immer das
Gefühl, wie ein Junge von seinem Vater angesprochen zu werden.
»Ich habe zwei Botschaften für dich, und sie sind beide
wichtig – lebenswichtig. Die erste: Carminia hat dich belogen
– nein, protestiere nicht! Sie hat es nicht bewußt getan,
sie weiß nur manchmal etwas von ihren nächtlichen
Streifzügen und ist erst kürzlich dahintergekommen,
daß mit ihr etwas nicht mehr in Ordnung ist. Sie ist kein
Mensch mehr – sie ist eine Spinne!«
*
Wäre eine Bombe in seiner
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