Macabros 032: Kreatur der Verdammnis
wirklich zu
Hause oder sind wir es nicht? Vielleicht ist das Ganze nur ein
Visionentheater unserer Widersacher, und sie wollen uns lediglich in
Sicherheit wiegen, um uns schließlich endgültig den Garaus
zu machen.«
Der Inder hielt Björn den Oberarm hin. Hellmark packte
ordentlich zu. Mahay quietschte.
»Au! Ich habe nicht gesagt, daß du mir ein Stück
Haut abreißen sollst. Der Schmerz war schon ganz schön,
wirklich, ich bin recht zufrieden. Aber es gibt noch eine andere
Möglichkeit, herauszufinden, ob wir wirklich dort sind, wo wir
zu sein glauben.«
Er blickte sich in der Runde um, während Björn die noch
immer benommene Mexikanerin mehr in die Nähe des
Hibiskus-Strauches legte. Evita atmete ruhiger. Ihr Herz und ihr
Pulsschlag waren normal. Sie mußte jeden Augenblick zu sich
kommen. »Ich habe hier auf der Insel noch ein altes Mädchen
auf Abruf zurückgelassen.« Björn konnte sich nicht
daran erinnern, seinen indischen Freund jemals so redselig erlebt zu
haben. »Ob sie mir nach so langer Zeit noch treu ist?«
Sein schriller Pfiff hallte durch die Luft. Evita zuckte zusammen
und schlug die Augen auf.
»Was ist jetzt los?« entfuhr es ihr mit leiser Stimme.
»Wo sind wir?«
»In Sicherheit. Sie brauchen nichts mehr zu fürchten. Es
ist alles gut.«
Sie blickte sich um und konnte nicht begreifen, wie das alles
zustande gekommen war. Pepe kam auf sie zu und strahlte über das
ganze Gesicht.
»Er wird Ihnen alles erklären. Wenn Sie wollen, Evita,
werden Sie noch morgen in Ihrer Heimat sein.«
»Ich kann es nicht fassen, Björn. Zurück… wir
sind zurück in der Welt, in die wir…
gehören?«
Er nickte.
»Ich kann zurück nach Mexico City?«
»Wann immer Sie wollen.«
»Ich werde zu niemand über das sprechen können, was
ich erlebt habe.«
»Es ist auch nicht notwendig. Behalten Sie es für sich!
Es ist besser so.«
In den Büschen und Sträuchern, die nur eine
Steinwurfweite von ihnen entfernt einen dichten, undurchdringlichen
Dschungel bildeten, bewegte sich etwas.
Rani leckte sich über die Lippen.
Evita wandte den Kopf, als sie das knackende Geräusch im
Unterholz hörte, und sie sah wie das Blattwerk sich teilte.
Ein gestreifter, massiger Kopf, zwei glühende Raubtieraugen,
ein heiseres Fauchen…
Die Mexikanerin fuhr zusammen.
»O mein Gott! Ein Tiger! Björn, Sie haben mich belogen!
Wo sind wir hier, wo…«
»Keine Sorge, Evita«, beruhigte Hellmark die
aufgebrachte Journalistin, die kreideweiß geworden war.
»Das ist Chitra… das alte Mädchen, von dem Rani eben
noch gesprochen hat.«
Evita rutschte immer mehr zu Seite, als die massige, schwere
Tigerkatze aus dem Buschwerk brach und gemächlich auf sie
zukam.
»Chitra!« rief Rani Mahay außer sich vor Freude
»Chitra!«
Fauchend blickte das Tier sich um.
»Sie wird uns anfallen«, gurgelte Evita.
»Sie wird uns nichts tun«, entgegnete Björn
Hellmark. »Ich kann es zwar auch immer nicht glauben, aber er
überzeugt mich stets von neuem. Sie wird auf ihn zukommen und
sie werden miteinander schmusen als wäre sie eine Hauskatze. Sie
brauchen keine Angst zu haben, daß die Tigerkatze
plötzlich ausbricht und Sie anfällt, Evita. Rani hat sie
vollkommen unter Kontrolle.«
»Das weiß Rani – aber ob das auch die Katze
weiß…?«
*
Der Inder kraulte Chitra hinter den Ohren, massierte ihren Hals
und das Tier strich schnurrend um seine Beine.
Chitra beachtete die anderen gar nicht.
Björn ließ Rani, Pepe und Evita wissen, daß er
nur mal schnell weg müsse und bald wieder zurück sei. In
der Zwischenzeit könnte Pepe all die Fragen beantworten, die ihr
auf dem Herzen lagen.
»Er muß sich vorerst mit dem alten Mädchen
beschäftigen, auf mich wartet noch ein sehr junges.« Er
lächelte versonnen. »Ich muß jemand so schnell wie
möglich wissen lassen, daß sie sich keine Sorgen mehr um
mich zu machen braucht.«
Was würde Carminia sagen, wenn er plötzlich vor ihr
stand?
*
Er ging in die Höhle, die direkt am Strand lag.
Mit diesem Refugium, in das er sich manchmal zurückzog, um zu
meditieren, um neue Kraft zu schöpfen und die Klarheit der
Gedanken zu erlangen, hatte es seine besondere Bewandtnis.
Es war die Geister-Höhle, in der ursprünglich für
ihn eine wichtige Botschaft aufbewahrt wurde. Diese Botschaft hatte
er nie in ihrem gesamten Umfang kennengelernt, weil Molochos, der
Dämonenfürst, das durch eine hinterhältige List
verhinderte.
In dieser Felsenhalle hatten die Geister
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