Macabros 034: Galeere des Grauens
geflügelten Arten erreichten das Gestänge.
Einige verharrten dort und krochen mit ihren klebrigen Beinen
höher empor, andere landeten in Lavans und Amanas Gesicht. Die
Käthen-Prinzessin schlug um sich. Lavan zertrat einige der
daumengroßen Flugkäfer, daß die Chitinpanzer
krachend wie Nußschalen aufsprangen und eine zähe,
dunkelgrüne Brühe aus den Spalten quoll.
Lavan zerschlug und zerstampfte geflügelte Käfer, soviel
er erwischen konnte. Einige nisteten sich in seinen Haaren ein;
kleinere Arten traten auf, die sich die Körperöffnungen als
Ziel auserkoren hatten. Sie setzten sich in Mund und
Nasenlöcher, krochen in seine Ohren, und er hatte alle
Hände voll zu tun, um sich der kleinen Plagegeister zu
erwehren.
Amana stürzte zu Boden, kroch auf allen vieren an Lavan
vorbei, suchte die vorderste Ecke auf und streckte ihren kleinen
schlanken Arm zwischen die Gitterstäbe, um den magischen Stab zu
greifen, den sie vorhin verloren hatte.
Er lag zu weit seitlich und ihr Arm war zu kurz, als daß sie
es hätte schaffen können.
»Lavan! Schnell!« keuchte sie. »Wir müssen,
versuchen, den magischen Stab wiederzubekommen. Er ist unsere einzige
Rettung… ah, pfuii…!« Sie schüttelte sich.
Während des Sprechens waren zwei längliche, braungelbe und
flache Flügelinsekten zwischen ihre Zähne gekrochen.
Angewidert spie sie die Tiere aus. Eine Gänsehaut lief über
ihren Körper.
Lavan zögerte nicht lange, stieß das Schwert durch die
Stäbe, hangelte nach dem magischen Stab und zog ihn näher
heran.
Höhnisches Lachen war über ihnen zu hören.
»Sitzt euch die Angst schon so tief im Nacken, daß ihr
nicht mehr wißt, was ihr tut?« sagte er mit schriller,
entnervender Stimme. »Was versprecht ihr euch von dem
Stöckchen? Glaubt ihr, damit um euch schlagen zu
können?« Der Insektenrufer schwang in seinem Netz hin und
her. Er genoß das grausige Schauspiel, das sich zuspitzte.
Die Geflügelten hingen bereits zu Hunderten an den
Eisenstäben, die anschwollen, als würden sie wachsen.
Dem Insektenrufer kam es nicht darauf an, das Spiel so schnell wie
möglich hinter sich zu bringen. Im Gegenteil!
Er wollte sich an der Qual, an der Verzweiflung seiner Gefangenen
ergötzen. Er wollte sehen, wie Amana in Wahnsinn verfiel, wie
Lavans Mut zerbrach, der bis jetzt nicht aufgab, der die
geflügelten Peiniger zertrat und zerdrückte. Aber wo er
zehn vernichtete, kamen fünfzig neue hinzu. Die Stangen, an
denen sie unter-, über- und nebeneinander klebten, wurden immer
dicker. Das Surren und Brummen war so laut, daß Lavan die Luft
für einen brummenden Motor hielt.
Der Abenteurer zog den magischen Stab näher an den
Käfigwagen heran und preßte sich dann dicht an die Gitter.
Wo seine Schulter gegen das Metall kam, zerquetschte er zahllose,
geflügelte Käfer und Larven.
Sein Gesicht verzerrte sich, als er sich weit nach vorn beugte. Er
hatte Mühe, den Stab mit den Fingern zu greifen. Der Wagen stand
ziemlich hoch. Doch er schaffte es.
Amana, deren Gesicht, Kopf und Arme mit Fliegen, Käfern und
Larven bedeckt war, zitterte am ganzen Leib. Sie hatte es aufgegeben,
sich gegen die Plagegeister zur Wehr zu setzen.
»Endlich! Endlich«, wisperte sie, nach dem Stab greifend
und ihn in beide Hände nehmend. »Ich setze alles auf eine
Karte. Wenn es mißlingt, haben wir Pech. Dann sind wir so oder
so verloren. Unterstütze mich, Lavan! Schlag’ mit dem
Schwert gegen die Eisenstäbe! Du mußt toben wie ein
Verrückter. Es muß so aussehen, als ob du verzweifelt eine
Möglichkeit suchst, das Gefängnis hier um uns aufzubrechen.
Schnell, fang’ an, zögere nicht!«
Lavan gehorchte. Mit der Breitseite schlug er das schwere
Kampfschwert gegen die Stäbe. Hunderte von Insekten fielen tot
zu Boden oder blieben als Leichen auf ihren Artgenossen kleben.
Funken sprühten, als Metall auf Metall traf, und dumpfes
Dröhnen erfüllte die Luft, als würde ein Gong
geschlagen.
Der Insektenrufer lachte. Kalte Lichter reflektierten glitzernd
auf seinem Facettenschädel. Seine dürren Arme zuckten.
»So ist’s recht! Sucht euch einen Ausweg, sucht ihn
euch!«
Aus den Augenwinkeln nahm Lavan das Verhalten Amanas wahr. Die war
auf die Knie gesunken. Ihr Gesicht war eine Maske aus wimmelndem
Ungeziefer. Die junge Kaythen-Frau umschloß mit beiden
Händen den Stab, und leises, unverständliches Murmeln kam
über ihre Lippen.
»Nun betet sie einen alten, morschen Stock an!«
brüllte der Insektenrufer. »Als könne der ihr
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