Macabros 034: Galeere des Grauens
Schrecken und
nicht selten den Tod zu verbreiten. Die kleine Stadt Lisdoa am
Südhang des Kaythen-Gebirges war ein Zeugnis dafür, was
Verwirrte, Verirrte und Dämonen anrichten konnten.
Lavan begriff noch nicht alle Zusammenhänge: ihm war nur
klar, daß so schnell wie möglich etwas geschehen
mußte, ehe der Insektenrufer zum Handeln kam.
Er mußte dem Fallensteller zuvorkommen.
Noch während er dies dachte, handelte er schon. Sein
durchtrainierter, elastischer Körper flog förmlich nach
vorn, und mit beiden Händen ergriff er das Schwert und
stieß es dann durch die Gitter direkt auf das Wesen zu.
Aber er traf ins Leere…
Der Insektenrufer hüpfte empor wie ein Floh, und sein hagerer
Körper verschwand zwischen den oberen Gittern. Seine Spinnenarme
griffen in das klebrige Netzwerk, das hoch über ihnen wie
schwerelos schwebte, er zog die dürren Beine an, kicherte, und
in seinen Facettenaugen glitzerten zahllose kalte Lichter. »Doch
nicht so, Lavan, Abenteurer, von dem alle sprechen und den es nun
doch bald nicht mehr geben wird, weil er in die Falle des
Insektenrufers geraten ist. Glaubst du wirklich, du könntest mit
diesem Zahnstocher etwas ausrichten?«
Lavan ließ nichts unversucht. Er kletterte an den massiven
Eisenstäben empor. Auch die Decke über ihnen bestand aus
Gitterwerk, und es stand weiter auseinander als die vier Seiten
ringsum.
»Zu fett, mein lieber Lavan!« höhnte der
Dämon, der mit seinem langen, spindeldürren Körper die
Stäbe bequem hatte passieren können.
Lavan stieß in ohnmächtiger Wut das schwere Schwert
nach oben. Aber der Insektenrufer schien an alles gedacht zu haben.
Er saß zu weit entfernt in seinem Netz und lachte
dröhnend.
»Dies verspricht ein besonders lebhaftes und interessantes
Spiel zu werden«, höhnte der von der Dämoneninsel
Gekommene. »Man sollte eben seine Zelte doch nie zu früh
abbrechen. Hunderte aus Lisdoa versuchten zu entkommen. Keinem ist es
gelungen. Meine lieben kleinen Freunde haben ganze Arbeit geleistet.
Ich möchte sie euch auch vorstellen.«
Wie durch Zauberei glitt die schwarze Stoffwand in die
Höhe.
Das geschah lautlos. Nicht lautlos geschah das, was in der
beginnenden Dämmerung alles auf sie zukam.
Es raschelte, knisterte und schabte, als ob sich unzählige
Chitinpanzer aneinander rieben.
Lavans Kopf flog herum. Die Augen des tapferen Abenteurers
weiteten sich vor Entsetzen. Der Boden rings um den Käfig lebte.
Ein Heer von Insekten, Käfern und Würmern wälzte sich
auf die Falle zu, kam aus den Häusern, den zerbrochenen
Knochengerippen, aus Erdspalten, aus dem nahen Dschungel und aus der
Luft.
Es surrte und summte, brummte und wisperte.
Myriaden von Kleinlebewesen waren auf dem Weg, ihnen den Garaus zu
machen.
Sie gehorchten dem Befehl des Insektenrufers.
*
Die Galeere glitt schaukelnd in die dunkle,
nebelgeschwängerte Bucht.
Langsam senkte sich das Schiff aus der windgepeitschten Luft
herab.
Ganthur-Vo war von Triumph erfüllt, als er die Galeere
verließ, um an Land zu gehen. Schwarzer, glitschiger Fels ragte
als ein hügelig ansteigendes Plateau vor ihm empor. Knorrige
Gewächse, an äonenalte Bäume erinnernd, die
versteinert waren, bildeten eine seltsame Flora auf dieser
abgelegenen Insel, in deren Mitte sich die schwarze Felsenburg mit
Zinnen und Türmen erhob.
Durchlöcherte Felsen, als hätten titanenhafte Ungeheuer
sie angefressen, bestimmten das Bild der Insel, auf der eine
schaurige Atmosphäre herrschte.
Mit stolzgeschwellter Brust stand der Knochenadmiral auf dem
Plateau, Wind umtoste ihn, Nebelschleier hüllten ihn ein, so
daß er wie eine schaurige Statue in der Dämmerung stand
und mit glühenden Augen zurückblickte zum Schiff, von dem
jetzt die Rudersklaven unter Peitschenknallen und Spottgebrüll
von der Galeere getrieben wurden.
Es waren Männer und Frauen, die aus dem Schiffsbauch
getrieben wurden. Ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht wurden sie
mißhandelt und gepeitscht, als sie stehenblieben. Die
dämonische Schiffsbesatzung, die ausschließlich aus
abstrusen, häßlichen Wesen bestand, denen jegliches
menschliche Gefühl fremd war, machte das Geschehen zu einer Art
Volksfest.
Aus den wallenden Nebeln schoben sich kichernd und schmatzend
weitere Bewohner der Dämoneninsel und bildeten eine Gasse, durch
die die Kaythen-Frauen und -Männner, von denen niemand
größer war als höchstens einssechzig, gehen
mußten.
Die Insel der Dämonen, durch veränderte geistige
Bedingungen auf
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