Macabros 049: Die Qualligen aus der Mikrowelt
irritierte
ihn.
Er fiel nach vorn. Die Plasmawand, die wie ein Gefängnis
für ihn war, bildete einen trichterförmigen Auswuchs, eine
Öffnung – nach draußen?
Mirakel kroch nach vorn, während durch den
schlauchförmig sich verändernden Leib wurmartige Bewegungen
gingen, die ihn förmlich herauspreßten.
Er kullerte über den Boden.
Sein unheimlicher Feind gab ihn frei!
Der Untergrund war glatt und schimmerte in einem
rosa-perlmuttfarbenen Ton.
Rundum sah er eine Welt, die ihn sofort wissen ließ,
daß es nicht mehr die Welt war, aus der er kam.
Er befand sich im Mikrokosmos, im Reich Trbhot, des Herrn.
Und dann sah er ihn!
Mirakel lag noch am Boden, blickte von unten herauf langsam in die
Höhe… höher und höher… und sein abtastender,
analysierender Blick wollte kein Ende nehmen.
Ein gallertartiger Schleimberg, der rhythmisch pulsierte, hockte
wie ein unüberwindlicher Berg lebenden Fleisches vor ihm.
Trbhot, der Herr, war eine Bestie!
*
Das Aussehen Trbhots schüttelte ihn, und doch konnte er den
Blick nicht von dem unheimlichen Geschöpf wenden.
Trbhot war ein Koloß im Vergleich zu ihm. Er ragte wie ein
lebender Berg in den Himmel, der eine dunkelviolette Farbe hatte.
Trbhot lief nach oben hin kegelförmig zu. Seine Beine waren
nur angewachsene, verkümmerte Stümpfe, seine Arme klebten
eng am Körper und er konnte die kurzen, fleischigen Plasmafinger
nur mühsam bewegen. Auf den breiten, wulstigen Schultern, die
ohne Halsansatz waren, saß ein massiger, wulstiger
Schädel.
Trbhot hatte ein breites, viehisches Maul, eine flache,
schwabbelige Nase und riesige Augen.
Die waren kohlrabenschwarz und wirkten eher wie Löcher in die
Unendlichkeit. Sie hatten keine Netzhaut und keine Pupillen.
Zwei gewaltige Hörner ragten aus dem breiten Schädel,
eines nach links, eines nach rechts. Darüber hinaus gab es ein
drittes, dickeres, kurzes Horn, das aus dem Hinterhaupt ragte. Die
Besonderheit an diesem Horn war, daß es von einem Ring umgeben
war, der sich in langsam kreisender, rhythmischer Bewegung
befand.
Unwillkürlich wurde Mirakel beim Anblick dieses
vielschichtigen Rings an den Planeten Saturn erinnert.
Langsam richtete Mirakel sich auf und sah sich in der Runde
um.
Von der Seite glitten große Plasmakugeln um Trbhot herum und
bildeten einen dichten, unüberwindlichen Kreis vor dem Herrn
dieses Reiches.
Die Plasmakugeln waren im Vergleich zu Morell dreimal so
groß und bildeten geradezu einen Schutzwall vor dem etwa
fünfzigfach größeren Hauptwesen.
Im Hintergrund sah Mirakel bizarre, spiralförmige
Gebäude mit großen Aufgängen, gewundene Rampen, die
Treppen ersetzten. Dort gingen die Qualligen ein und aus. In diesen
unheimlich aussehenden Turmbauten lebten sie.
Die Fensternischen waren halbrund und oval, die Türme
wirkten, als wären sie aus erstarrter Lava entstanden, die
irgendwann mal aus dem Boden hervorgequollen war.
Die bizarren, spiralförmigen Wohntürme standen in
kleinen Gruppen beisammen, ohne im eigentlichen Sinn eine bestimmte
Anordnung zu zeigen.
Die Stadt im Mikrokosmos hatte verwinkelte Gassen und schattige
Ecken, unendlich viele dunkle Straßen, die sich durch die Stadt
schlängelten und bis zum fernen Horizont der Ansiedlung
reichten, die so groß war, daß er sie nicht
überblicken konnte.
Ein reges Leben herrschte in dieser namenlosen Stadt, in die man
ihn entführt hatte.
Mirakel wandte den Blick und starrte hinauf zu den schwarzen, ins
Unendliche weisenden Augenhöhlen des Gigantischen, der alles
hier beherrschte.
»Warum habt ihr mich geholt?« rief er, und seine Stimme
hallte machtvoll über den freien Platz, der inmitten der
Mikrokosmosstätte lag. »Was bezweckt ihr damit? Wer hat
euch gerufen, wer veranlaßt euch, dies zu tun?«
Glotzaugen starrten ihn an. Fühler peitschten aufgeregt.
Keine Antwort!
Dafür ein markerschütternder Schrei, der aus einem der
Türme kam.
Eine menschliche Stimme!
Mirakel gab sich einen Ruck.
Der Schrei kam aus einem düsteren Spiralturm, nur einige
Schritte von seinem Standort entfernt.
Mirakel eilte darauf zu. Aus dem Turm ertönte Tumult. Eine
dunkle Gestalt tauchte an einem der bizarren Fensterlöcher auf
und versuchte sich nach außen zu stürzen.
Es war ein junger, bleicher Mann, dem die Haare wirr ins Gesicht
hingen und der aussah, als würde er jeden Augenblick den
Verstand verlieren.
Es war Aristide, der junge Assistent von Marcel Trudeau aus
Paris.
Er hatte die Phagozytose überstanden
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