Macabros 064: Es erwacht der Ursen-Wahn
Schiffsrumpf waren verwittert und mit Schimmel
überzogen. Kaum mehr zu erkennen waren die großen, einst
grünen Buchstaben, die verwaschen und blaß wirkten und den
Namen ESMERALDA formten.
Der Strand lag wie ausgestorben. Über diesem abseits
gelegenen, etwas unheimlich wirkenden Gelände spannte sich ein
klarer, sternenübersäter Himmel, der sich im ruhigen Wasser
spiegelte.
Die Luft war mild. Vom Meer her wehte eine frische Brise, die die
Hitze des Tages vertrieb.
Der Mann, der den Esel führte, grinste breit.
Die anderen konnten zufrieden sein. Diesmal brachten sie drei mit.
Was sie dafür erzielten, würde sich lohnen.
Ihre Auftraggeber hatten sich nie kleinlich gezeigt.
Was sie da machten, war gegen das Gesetz. Schon frühzeitig
waren sie auch mit dem in Konflikt gekommen. Beide hatten es nie
gelernt, sich in die Gesellschaft einzuordnen und auf normale und
reelle Weise ihr Geld zu verdienen.
Mit Diebstählen am Strand hatte es begonnen. Auf ihr Konto
gingen auch mehrere, bisher ungeklärte Einbrüche in Villen
und Bungalows, die speziell von Touristen benutzt wurden. Da gab es
immer mehr etwas zu holen. Fotoapparate, Radiogeräte,
Kassettenrecorder, Schmalfilmkameras – Schecks und Bargeld. Die
Menschen waren oft so leichtsinnig. Sie machten es den Dieben
leicht.
Seit Jahren waren Filipe und Paco auf der Flucht vor der Polizei.
In den verschiedensten Verkleidungen tauchten sie unverhofft in
jeweils wechselnden Orten an der Costa Brava, Costa Blanca oder Costa
del Sol auf, um ihrer verachtenswerten Tätigkeit
nachzugehen.
Daß zu ihren Einbrüchen und Diebstählen auch mal
Menschenraub hinzukam, hätten sie jedoch selbst nicht
geglaubt.
Daß sie sich in ihrer Gesetzlosigkeit so steigerten, um sich
zu bereichern, dazu hatte die Bekanntschaft mit einem Fremden
geführt, den sie in einer Flamencobar in Estepona vor einem Jahr
kennenlernten.
So lange ging das schon. Der Mann, der mit ihnen sprach, schien
sich in der Unterwelt an den Südküsten des Landes
hervorragend auszukeimen. Auf Anhieb konnte er die beiden
zwielichtigen Gesellen für ein Geschäft anheuern, mit dem
Filipe Bunuel und Paco Lanias bisher nichts zu tun hatten.
Das Angebot war verlockend. Die Ausführung nicht ganz
ungefährlich und risikolos – aber dafür lockte bei
Gelingen ein Lohn, wie man ihn nur bei ganz großen Coups
erzielte.
Bunuel und Lanias sollten – Menschen rauben.
Erst war Filipe Bunuel skeptisch. Damit wollte er nichts zu tun
haben. Aber Paco überredete ihn.
Beide hatten sich bei ihrem geheimnisvollen Auftraggeber, den sie
mehrere Male in der gleichen Bar getroffen hatten, erkundigt, weshalb
sie Menschen überfallen, betäuben und hierher auf die
ESMERALDA bringen sollten.
Doch der war nicht bereit, darüber nähere Auskünfte
zu geben.
Es war Paco Lanias, als höre er noch jetzt die Stimme seines
Gesprächspartners. »Fragen stellen schickt sich nicht,
Senor. Das bringt Ihnen nichts ein. Tun Sie, was ich von Ihnen
erwarte – und alles wird seine Wege gehen! Sie werden dabei nur
Ihre Vorteile haben.«
Bunuel und Lanias lauerten einsamen Spaziergängern auf,
überfielen, betäubten und brachten sie zur ESMERALDA. Alle
Opfer mußten lebend abgeliefert werden. So hatte es ihr
Auftraggeber verlangt.
Die beiden Gauner hatten sich anfangs oft Gedanken darüber
gemacht, was für eine Bedeutung es wohl hatte, wildfremde
Menschen an einen verabredeten Ort zu bringen und dafür Geld
entgegen zu nehmen.
Doch die reichliche Geldflut betäubte die anfangs keimenden
Skrupel.
Immer dreister gingen die beiden zwielichtigen Gestalten vor. Sie
drangen in abseits gelegene Bungalows ein und überfielen
Alleinwohnende oder Paare, die ihren Urlaub verbrachten.
Dabei ließen sie das Eigentum völlig außer acht.
Die Polizei stand vor einem Rätsel. Seit jener Stunde, da Bunuel
und Lanias für die fremde Macht tätig geworden waren,
schnellte die Zahl der als vermißt gemeldeten Personen auf
unnatürliche und erschreckende Weise in die Höhe.
Innerhalb der ersten dreißig Tage verschwanden in den
kleinen und größeren Städten im Umkreis von
fünfzig Kilometern rund um Estepona, Marbella und Fuengirola
insgesamt zwanzig Menschen.
Die Suche nach ihnen blieb erfolglos. Die Polizei setzte eine
Sonderkommission ein, ohne jedoch zu einem greifbaren Ergebnis zu
kommen.
Seit fünf Monaten machten die beiden Verbrecher die Gegend
unsicher. Dabei wechselten sie ständig ihre Arbeitsmethode.
Nachdem durch Polizeistreifen die
Weitere Kostenlose Bücher