Macabros 064: Es erwacht der Ursen-Wahn
Gesicht. Deutlich war zu sehen, daß er die oberste
Schicht seines Antlitzes ablöste wie eine Schlange, die sich
häutete.
Sein menschliches Aussehen – existierte nicht mehr. Es war
nur Maske!
Unter der Maske aber wurde ein fischgesichtiges Wesen sichtbar mit
starren, hervorquellenden Augen und einem breiten Fischmaul. Die
Gestalt – war ein Urse! Doch davon hatten Bunuel und Lanias nie
etwas gehört…
*
Ihre Kopfhaut zog sich zusammen, als ob sie jemand mit einer
Rasierklinge streife.
Dann drückte der Urse ab.
Die Waffe gab ein leises, zischendes Geräusch von sich. Eine
hauchdünne, gefiederte Nadel löste sich heraus und bohrte
sich in Bunuels Brust.
Lanias reagierte eine Zehntelsekunde schneller als sein Kumpan. Er
ging in die Hocke und warf sich gegen den klobigen Tisch. Doch auch
das konnte seil. Schicksal nicht mehr beeinflussen.
Der Urse ging blitzschnell zurück. Der Tisch rutschte an ihm
vorbei, ohne ihn zu berühren.
Ein zweites Mal krümmte sich der Zeigefinger des
Außerirdischen um den Abzugshahn. Ein zweites Mal löste
sich aus der Mündung ein winziger nadelfeiner Pfeil.
Er traf Lanias mitten zwischen die Schulterblätter.
Der Getroffene riß die Arme empor. Es sah aus, als ob er von
unsichtbaren Fäden in die Höhe gezogen würde.
Er öffnete den Mund zum Schreien. Doch kein Laut kam
über seine Lippen.
Lautlos sackte er in die Knie und blieb reglos am Boden neben
seinem Kumpan liegen.
Im gleichen Augenblick öffnete sich hinter ihnen die Tür
der kleinen Kabine. Zwei, drei Gestalten huschten in den Raum.
Sie sahen genauso aus wie der Mann, der geschossen hatte. Es
handelte sich um fischgesichtige Ursen.
»Nehmt sie mit und schafft sie dorthin, wo die anderen
sind«, sagte der Schütze mit kalter Stimme. »Sie
werden uns auf diese Weise noch einen zusätzlichen Dienst
erfüllen…«
Filipe Bunuel und Paco Lanias wurden gepackt und hinausgetragen in
den engen, dunklen Korridor, hinüber in einen großen
Laderaum, wo noch mehrere, in Planen eingewickelte und
verschnürte Menschen wie Pakete lagen.
Das Schicksal, das die beiden üblen Subjekte in ihrer
Geldgier anderen Menschen zugedacht hatten, wurde nun zu ihrem
eigenen…
Nur zehn Minuten später wurden die Motore der ESMERALDA
angeworfen. Der Maschinenraum hallte wider vom Dröhnen. Das
alte, klapprige Schiff wurde von mehreren Ursen gleichzeitig aus dem
seichten Wasser in tieferes Gewässer geschoben, dann konnten die
Flügelschrauben fassen. Date Fischerboot, dessen Rumpf mit
Schimmel besetzt war, schaukelte auf den Wellen und nahm Fahrt
auf.
Immer mehr entfernte es sich vom ufernahen Raum.
Es hatte keine Positionslichten gesetzt und tauchte ein in die
Dunkelheit wie ein Schatten.
Wäre jemand auf den Gedanken gekommen, jetzt einen Blick
über die Reling zu werfen, dann hätte er auf alle
Fälle die dunkle Gestalt wahrgenommen, die wie eine Klette am
Rumpf des Schiffes klebte.
Von dem Mann, der sich an den Schiffsrumpf krallte, war nur die
glänzende Glatze zu sehen, die nackten, muskulösen
Schultern und Arme.
Die ganze Zeit über hatte hier jemand in unmittelbarer
Nähe der ESMERALDA gelauert und auf seine Chance gewartet.
Die bekam er jetzt. Als das Schiff in tiefere Gewässer
vordrang,’ erklomm der Lauscher lautlos und katzenhaft die
unebene Schiffswand. Dem kräftigen Mann, auf dessen nackter,
feuchter Haut das Licht der Sterne reflektierte, traute man eine
solche Beweglichkeit und Elastizität gar nicht zu.
Er war mindestens zwei Zentner schwer und zwei Meter
groß.
Dieser Mann war – Rani Mahay, der Koloß von Bhutan.
*
War es ein Traum? War es Wirklichkeit?
Björn Hellmark starrte die Frau an, die auf dem
geheimnisvollen Thron saß, der von vier Feuermenschen getragen
wurde.
War es wirklich Carminia Brado, die Frau, die er liebte? Oder
– nur ein Trugbild der Dämonen, die ihn verwirren,
ängstigen und unfähig zur Aktion machen wollten?
Seine Erfahrungen mit den Mächten der Finsternis hatten mehr
als einmal gezeigt, daß die Kräfte, die Molochos, der
Dämonenfürst, ihm entgegenschleuderte, gewaltig waren.
Björn schluckte. »Carminia?!« entrann es seinen
Lippen. Er konnte den Blick nicht wenden von der Frau, die kühl
und abweisend auf ihn herabschaute, als wäre er ein Fremder.
»Carminia – bist du’s wirklich?«
Sie zog kaum merklich die Augenbrauen empor. »Ich weiß
nicht, von wem du redest. Du scheinst mich mit jemand zu
verwechseln.« Jedes Wort, das aus ihrem Mund
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