Macabros 071: Spinnenritter greifen an
manchmal
ein fauchendes Zischen, als ob sich in der Erde ein Geysir
öffne, der jeden Augenblick ausbrechen konnte oder einen neuen
Vulkanausbruch ankündigte.
Vor ihnen breitete sich eine triste, bedrohliche Landschaft aus,
in der sich jedoch offensichtlich die Feuerbestien, denen Hellmark
das erste Mal, als er Kh’or Shan betrat, gegenüberstand,
nicht mehr aufhielten.
Mit dem Tod von Sequus, der nachweislich mehrere
Jahrhunderttausende hier ausgeharrt und eine geistige Entwicklung ins
Negative gemacht hatte, waren offensichtlich auch all die Sklaven,
die er sich geschaffen hatte, ums Leben gekommen, und es hatte
für die Bedauernswerten keine Rettung mehr gegeben.
Dann faßte Macabros mit seiner linken Hand die rechte
Björns, mit seiner rechten die linke Carminias, und eine Sekunde
später lösten sich die drei Gestalten aus der unwirklichen,
öden Landschaft und tauchten mitten im Garten des Hestus auf,
der in der dschungelartigen Wildnis jenseits des riesigen Kratersees
tief in der Erde lag.
Der Unterschied zwischen dem aus Vulkangestein bestehenden
Kh’or Shan und jener duftenden, in voller Blütenpracht
stehenden Umgebung war so extrem wie der Unterschied zwischen Himmel
und Hölle.
Sie kamen sich vor, als hätten sie einen Sprung ins Paradies
getan.
Klar und sauber war die Luft, und das helle Licht schien die
eingefangene Sonne zu sein, die irgendwann mal auch außerhalb
dieser unterirdischen Gärten schien, als noch keine Geister und
Dämonen von Kh’or Shan Besitz ergriffen hatten.
Wie es im ganzen Weltall junge und alte Sterne und Sonnen gab, an
denen man die Entwicklungsgeschichte einer Welt, ja einer ganzen
Milchstraße vom Anfang bis zu deren Ende, wenn sie zur Nova
wurde, ablesen konnte – genauso ließ sich in
verschiedenen, andersdimensionierten Welten erkennen, wo die
Mächte der Finsternis schon frühzeitig oder erst
später ihr Zerstörungswerk begonnen hatten.
Hier in diese Gärten hatte nie das Böse seinen Fuß
gesetzt. Man spürte es förmlich. Es lag in der Luft.
Und doch gab es auch hier im magischen Garten des Hestus einen
Tempel, der Abbilder des Bösen zeigte.
Sieben riesige, blasenähnliche Gebilde hingen über
diesem Tempel wie gewaltige Luftballons, die einem Giganten
gehörten, schwerelos über der Tempelstätte schwebten
und sich doch nicht davon lösen konnten.
Die sieben Gebilde zeigten die sieben Gesichter jener
Hauptdämonen, mit denen Hellmark irgendwann schon mal Kontakt
hatte oder gelegentlich haben würde. Seit kurzem zeigten jedoch
nur noch sechs der sieben Riesenblasen die Konterfeis jener, die mit
Rha-Ta-N’my Seite an Seite kämpfend, ihre Ziele
verwirklichten. Der siebte, kein reinblütiger Dämon,
sondern ein organisch sich entwickelndes Wesen – nämlich
Sequus – war verschwunden. Mit dem Tod, den Hellmarks magisches
Schwert aus der Vorzeit Xantilons Sequus gebracht hatte, war dessen
Abbild ebenfalls verschwunden.
Carminia und Björn hatten über diesen seltsamen Ort hier
mitten im Garten einige Vermutungen angestellt, und sie glaubten,
daß diese Vermutungen auch der Wirklichkeit nahe kamen.
In diesem Tempel war es dem gereinigten, geläuterten Geist
des Hestus gelungen, die Abbilder jener Feinde zu schaffen, die sich
normalerweise namens- und gesichtslos in der Finsternis der Ewigkeit
verbargen.
Die Entscheidung, die er damals vor zwanzig Jahrtausenden
getroffen hatte, erwies sich noch heute als richtig. Durch sein
weitblickendes Vorausplanen hatte er es Björn Hellmark
ermöglicht, jene Feinde kennenzulernen, von denen er zum Teil
bisher nur vom Hörensagen wußte.
Auf direkten Weg gingen sie nun durch den Palmenhain, wo der
geheimnisvolle Spiegel sich befand.
Er bildete annähernd eine Milde, in der dieses schimmernde,
aus Segmenten bestehende Gebilde wie eine große, vollkommen
aufgeblätterte Blüte lag.
Ein warmes Licht lag auf der Oberfläche und schien direkt von
ihnen heraus zu kommen.
All das, was Carminia Björn mit Worten erklärt hatte,
konnte sie ihm nun an Ort und Stelle zeigen.
Hellmark lernte die wie die Glieder einer Kette dicht
aneinandergereihten Blumen kennen, die praktisch eine verkleinerte
Darstellung des »Geistspiegels« zu sein schienen.
Sie waren alle gleich, und nichts wies darauf hin, daß sie
wirklich gewachsen waren wie eine organische Pflanze eben wuchs,
sondern daß sie von Anfang an so dagewesen waren, wie sie sich
jetzt darstellten. Eine Entwicklung schienen sie nicht durchgemacht
zu haben.
Carminia
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