Macabros 071: Spinnenritter greifen an
öffnen, um wenigstens einen Umriß des
Sprechers wahrzunehmen.
Erregung hatte sie gepackt und eine seltsame Sehnsucht, jenen
Unbekannten zu sehen, der doch eigentlich kein Unbekannter für
sie sein durfte. Dieser Mann, der da sprach, war niemand anders als
Loanas Vater, damit ihr Vater. In ihrem ersten Leben war sie
Loana gewesen und Hestus ihr Vater. Dann war sie mehr als zwanzig
Jahrtausende später in einem anderen Land als Carminia Brado
wiedergeboren worden, als Kind anderer Eltern, ohne von ihrem Dasein
auch nur eine Spur zu ahnen.
Diese Kenntnisse waren erst gekommen, als die Ereignisse um
Kh’or Shan nie alle in ihren Bann zogen. »Nur wenn die
rechtmäßigen Erben kommen, ist es möglich, diesen
Kommentar, diese Worte zu hören«, fuhr Hestus unbeirrt
fort. »Und nur sie sind auch imstande zu demontieren, was der
Geist schuf. Der Spiegel enthält tausend mal tausend Wege, um
Stellen aufzusuchen, wo Gefahren drohen, wo sie eliminiert werden
können. Dies bedeutet nicht, daß für denjenigen, der
sich dieser Gefahr aussetzt, die Bedrohung beseitigt ist. Im
Gegenteil! Er gerät mitten in sie hinein. Dies ist das
hervorstechende Merkmal jenes Gebildes, das meinen Vertrauten und mir
Glück und Hoffnung gab – aber auch viel Unheil. Das eine
wird ohne das andere nie sein. In der belebten Welt wird das Spiel
von Kräften und Gegenkräften immer vorhanden und nie ganz
auszuschalten sein. Wo es Vorteile gibt, gibt es auch Nachteile. Auf
diese Schwäche des Spiegels muß ich euch aufmerksam
machen. Auf diese Weise habe ich viele Helfer verloren, aber wurden
auch den finsteren Mächten, den Geistern und Dämonen, den
Schergen aus den Reihen Rha-Ta-N’mys empfindliche Verluste
zugefügt. Diese Botschaft wird nur freigesetzt durch das
Erscheinen zweier Personen, die in meiner Zeit ihr Möglichstes
taten, das Böse einzudämmen und den Kampf aufzunehmen gegen
die Feinde des Lebens, gegen die, die guten Willens sind. Das war
Kaphoon, der Namenlose, der Sohn des ›Toten Gottes‹, und
Loana, meine innigstgeliebte Tochter, deren Leben nicht die
gewünschte Erfüllung fand, weil sie die Kraft, gegen die
sie antrat, unterschätzte. Aber es wird einen neuen Morgen und
ein neues Leben geben. Für beide. So haben die Weisen
prophezeit, und es gibt keinen Grund, an ihren Worten zu
zweifeln.
Wenn ihr hier steht und meine Worte vernehmt, ist der Zeitpunkt
gekommen, wo im Kampf zwischen Mensch und Dämon, Mensch und
Mensch eine neue Ära anbricht. Die Gefahr eines Krieges unter
dem Volk war nie größer als im Augenblick. Die Grenzen und
die geheimen Raketenbasen gleichen waffenstarrenden Festungen. Als
Hestus dieser Gärten hatte ich nicht nur die Möglichkeit,
einen Blick in die ferne Vergangenheit zu werfen, die Gegenwart zu
erkennen – sondern auch einen Blick in die Zukunft zu tun. In
die Zukunft der Dämonen und Menschen. Und die Dämonen sind
nicht nur allein verantwortlich zu machen für die Geschicke der
Völker. Die Menschen sind es selbst, die den Nährboden
bilden, damit das Böse Wurzeln schlagen kann. Auch hier ist viel
zu tun. Mit Hilfe des Spiegels, den der Geist der letzten, die einst
hier im Garten mit Frohsinn und Glückseligkeit erfüllt
waren, schuf, soll es auch möglich sein, die Verantwortlichen
der Welt aufzusuchen und sie über die prekäre Lage in
vielen Ländern aufmerksam zu machen. Nur ihr, die ihr aus jener
Zeit stammt, die angebrochen sein wird, wenn diese Nachricht euch
erreicht, könnt entscheiden, ob ein Teil von dem, was ich hier
sage, Wirklichkeit oder reine Phantasie ist…«
Unwillkürlich hatten Hellmark und Carminia Brado den Atem
angehalten, als die Sprache auf eine Zeit kam, die Hestus eigentlich
gar nicht kennen konnte.
Es war erstaunlich, mit welch knappen, aber treffenden Worten er
die Situation umriß, in der sich das Menschengeschlecht
befand.
Die Uneinigkeit untereinander war größer geworden als
je zuvor, obwohl die Politiker sich scheinbar bemühten, die
Menschen einander näherzubringen. Noch immer klafften gewaltige
Abgründe zwischen reich und arm, zwischen den Völkern, die
einen hochtechnisierten Stand aufwiesen und jenen, die sich am
Existenzminimum befanden.
Das Mißtrauen zwischen den Völkern, zwischen den
Mächten war in all den Jahrhunderten nicht kleiner, sonder
größer geworden. Zahllose Kriege waren der heutigen Zeit
vorausgegangen, und alles deutete darauf hin, daß der Ausbruch
eines neuen Krieges, wie die Erde ihn noch nie erlebt hat, nur noch
eine
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