Macabros 079: Die Nachtseelen von Zoor
gerechnet. Daß du aber
an der Tür stehen würdest, um mich in die Wohnung zu lassen
– das allerdings schlägt dem Faß den Boden
aus!«
Richard Patrick wirkte bleich und verstört. Die Tür zu
Albert Nevieux’ Wohnung lag zwei Schritte von dem vergitterten
Aufzug entfernt.
»Wenn du das nächste Mal wieder so überraschende
Exkursionen unternimmst, wäre es ganz gut, wenn du mich vorher
informieren würdest«, beschwerte sich Hellmark. »Es
hätte nicht viel gefehlt, und mir wäre nicht erspart
geblieben, ganz Paris nach Albert Nevieux abzusuchen.«
»Der Gedanke kam mir ganz plötzlich«, entgegnete
der Verleger. »Schließlich konnte ich nicht wissen,
daß ich so überraschend aufbrechen würde. Die Adresse
war mir durch Bayonne bekannt.«
»Und du hast so etwas wie einen sechsten Sinn entwickelt,
wie? Du wußtest also, daß ich nachkommen würde?
Deshalb stehst du schon an der Tür. Eigentlich hätte doch
Nevieux öffnen müssen.«
»Der ist nicht da.«
»Und wie kommst du dann in die Wohnung, Rich?«
»Ganz einfach, mit einem Nachschlüssel…«
Björn glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Das
ist gegen das Gesetz, Rich! Ich verstehe nicht…«
»Ich bin einen Schritt zu weit gegangen… Ich weiß!
Aber manchmal gibt es Dinge im Leben, die lassen sich eben nur so und
nicht anders klären. Da ist das Schicksal meines Mitarbeiters
Bayonne, und es ist irgendwie mit dem des Fotografen verknüpft.
Wenn sich nun niemand darum kümmert, wird es nie eine
Aufklärung geben. Aber das muß geschehen und schreit nach
Aufklärung, nicht wahr? Komm’ mit rein! Ich habe etwas
entdeckt… Du wirst Augen machen…«
Als wäre er der Besitzer der Wohnung, machte Patrick einen
Schritt zur Seite und ließ Hellmark an sich vorbei.
Björn war einzige gespannte Aufmerksamkeit. Hatte er es
wirklich mit seinem Freund Richard Patrick zu tun oder war hier ein
Feind entstanden, den er fürchten und aufmerksam im Auge
behalten mußte? Sollte er in eine Falle gelockt werden?
Er wußte, daß im Reich der Geister und Dämonen
das Unwahrscheinliche das Normale war.
Außer der Dämonenmaske, die er stets in der Tasche mit
sich trug, hatte er kein anderes Abwehr- und Kampfmittel dabei. Doch
dies würde reichen, wenn es zu offenen Auseinandersetzungen
kommen sollte.
Er beobachtete Richard Patricks Reaktion genau, als er sich auf
gleicher Höhe mit ihm befand.
Patrick war nervös und aufgeregt, aber er zeigte keine Angst.
Das typische Verhalten eines Dämons, der die Dämonenmaske
in unmittelbarer Nähe spürte, haftete ihm nicht an.
Patrick drückte leise die Wohnungstür ins
Schloß.
Dann ging er Hellmark voran und erklärte, wie alles gekommen
war.
Unmittelbar nach der Verfolgungsjagd Macabros’ war Patrick
aus dem Hotel gelaufen. Er hatte sich ein Taxi genommen und war in
die Rue Buffon gefahren.
Die Begegnung mit dem schwarzen Spuk hatte ihn völlig
durcheinander gebracht. Alles wies darauf hin, daß Pierre Yves
Bayonne etwas entdeckt hatte, das möglicherweise zur
tödlichen Gefahr für ihn geworden war. Bis zur Stunde stand
noch nicht mal fest, ob es sich bei dem Unheimlichen aus dem Schrank
nicht ganz und gar um den Mitarbeiter von ’Amazing Tales’
handelte.
Die Ereignisse, die Nevieux von Afrika aus in Bann zogen, spielten
auch in Bayonnes Leben plötzlich eine Rolle.
»Aber da scheint einiges mehr im Argen zu liegen, als wir uns
in unseren Träumen vorstellen können«, fuhr er fort.
»Nevieux hat das Grauen hierher in die Stadt
gebracht…«
Die Wohnung bestand aus insgesamt vier Räumen. Einer davon
war als Dunkelkammer eingerichtet.
Die Türen zu den anderen Zimmern waren nur angelehnt.
Hellmark kam an Bad und Küche vorbei, dann an einem kleinen
Arbeitsraum, dessen Tür weit offen stand. Die Wände waren
verziert mit großformatigen, glänzenden Fotos, die Nevieux
in aller Welt aufgenommen hatte.
Dem Arbeitsraum gegenüber lag das Schlafzimmer. Das
Wohnzimmer war der größte Raum.
Dort brannte in der Ecke eine altmodische Stehlampe. Ihr schwacher
Schein fiel auf ein makabres Objekt, das mitten im Wohnzimmer
stand.
Ein schwarzer, geöffneter Sarg!
»Ist das die Wohnung von Graf Dracula?« bemerkte
Björn tonlos.
»Das glaube ich auch. Das Haus eines Vampirs! Särge
gehören normalerweise nicht zu einer Wohnungseinrichtung. Hier
aber scheint er eine ganz bestimmte Absicht zu
erfüllen.«
Björn mußte unwillkürlich an die Ausführungen
seines Freundes Ak Nafuur denken. Im Zusammenhang mit den
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