Macabros 079: Die Nachtseelen von Zoor
die des Privatdetektivs.
»Ich habe mir doch gedacht, daß du zu Hause in deiner Bude
hockst. Du gefällst mir nicht, mein Junge! In der letzten Zeit
ziehst du dich so oft zurück. Wenn man dich anruft, bist du
garantiert zu Hause. Was ist denn los mit dir? Bist du
krank?«
»Nein. Ich bin ein bißchen abgespannt«, erwiderte
der enttäuschte Belmond schnell. »Ich brauche Ruhe, das ist
alles…«
»Du bist verrückt, Jacques!« Der so zu ihm sprach,
war ein Studienkollege. »Was du brauchst, ist mal wieder ein
bißchen Abwechslung. Ich habe das Gefühl, du verkriechst
dich zu oft und zu lange hinter deinen Büchern.«
»Schon möglich«, murmelte der Sohn des Winzers.
»Am besten ist, du kommst zu uns. Wir sind eine ganze Clique.
Es geht hoch her…«
Man hörte es im Hintergrund. Lachen, leise einschmeichelnde
Musik. Die hellen Stimmen von Frauen.
»Wo seid ihr denn?« wollte Jacques Belmond wissen.
»In einem Schuppen, den wir uns eigentlich nicht leisten
können. Da paßt du schon besser ’rein. Du hast das
nötige Kleingeld. Dein Alter hält dich ja nicht so knapp
wie meiner… Wir sind im ’Venus’!«
Das ’Venus’ war eine Mischung zwischen Lokal und
Vergnügungsetablissement.
Es ging das Gerücht um, daß dort die Liebe der
schönsten Frauen von Paris käuflich zu erwerben war. Das
war eigentlich nichts für arme Studenten. Da verkehrten eher
reiche Geschäftsleute und gestreßte Manager, die sich von
zarter Hand massieren und verführen ließen.
»Das könnt ihr euch doch gar nicht leisten«,
entfuhr es Belmond.
»Sag’ ich doch. Aber einmal im Leben – da muß
man auf den Putz hauen. Und du, Jacques, sollst dabei
sein…«
»Wer ist denn alles mit von der Partie?«
»Aha, der Junge zeigt schon Interesse. Das beweist, daß
bei dir doch noch nicht alles verloren ist. Wir sind zu dritt.
Alexandre und Alain sind auch dabei. Und eine Flasche Champagner ist
kalt gestellt. Für Mitternacht.«
»Wieso muß es gerade Mitternacht sein, bis ihr die
Flasche köpft?«
»Weil ich dann zweiundzwanzig werde…« Der Sprecher
am anderen Ende der Strippe lachte. Man hörte seiner Stimme an,
daß er schon mehr als ein Glas Sekt, wenn nicht gar
Schärferes getrunken hatte. »Und du bist natürlich
dabei. Zweiundzwanzig – die wird man nur einmal! Und bis zur
nächsten Schnapszahl vergehen elf Jahre… Ich möchte
mein neues Lebensjahr mit einem Paukenschlag und einer
bildschönen Frau beginnen. Und wenn meine ganzen Ersparnisse
drauf gehen. Du bist da besser dran, du brauchst nicht jeden Sou in
der Hand umzudrehen. Hast du keine Lust, dir mit einer Edelmieze die
Nacht zu vertreiben?«
Belmond zögerte einen Augenblick. Der Anruf seines
Studienkollegen Alexandre hatte ihn aus dem Konzept gebracht.
Alexandre legte das Zögern zu seinen Gunsten aus. »Na,
also! Ich wußte ja, daß du mir keinen Korb gibst!
Leg’ die Bücher ins Regal, steig’ in dein Monstrum und
komm’ her. Ich nehme an, du weißt, wo das
’Venus’ ist. Vom ›Trocadero‹ sind es noch drei
Minuten…«
Belmond fand plötzlich Spaß an der Geschichte. Der
Freund hatte nicht mal so unrecht. Abwechslung tat ihm gut.
»Abgemacht! In zehn Minuten bin ich bei euch…«
»Das ist ein Wort. Ich wußte, daß du noch nicht
ganz schrottreif bist…«
Alexandre legte auf. Jacques Belmond fuhr sich im Bad mit der
Bürste durch das Haar, band sich einen Schlips um und
schlüpfte in der Diele in seine Anzugsjacke.
Vor dem Haus stand ein weinroter Citroen 2 CV. An den Fenstern
links und rechts neben den Rücksitzen und an der Hinterscheibe
befanden sich graurot gemusterte Gardinen, mit denen man die Einsicht
verwehren konnte.
Das Ganze sah nicht nur fröhlich aus, sondern erfüllte
auch einen tieferen Zweck.
Zum Liebhaben und Schmusen, wie Belmond sich seinen Freunden stets
gegenüber auszudrücken pflegte, schaltete er gern die
Öffentlichkeit aus. Und wenn ihn auf der Fahrt nach Hause die
Müdigkeit übermannte, steuerte er einfach den nächsten
Parkplatz an, zog die Vorhänge zu und legte sich aufs Ohr.
Das Etablissement für die Reichen zeigte schon
äußerlich eine Fassade, die darauf schließen
ließ, daß Vergnügungen hier teurer waren als in
anderen Häusern dieser Art üblich.
Der Eingang erinnerte an das Portal eines exklusiven Hotels. Die
Überdachung zum Treppenaufgang wurde zu beiden Seiten von
goldfarbenen, schweren Säulen gestützt.
Alle Fenster im Haus waren mit verspielten
Rüschenvorhängen verkleidet. In einzelnen
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