Macabros 079: Die Nachtseelen von Zoor
Räumen der
oberen Stockwerke brannte gedämpftes Licht.
Zum ’Venus’ gehörte ein ausgedehnter Parkplatz
hinter dem Haus.
Belmond schämte sich fast, hier zu parken.
Da standen in Reih und Glied Wagen der gehobenen und höchsten
Preisklasse. Einen Moment spielte der Kunststudent mit dem Gedanken,
umzudrehen und wieder nach Hause zu fahren.
Aber dann dachte er an sein Versprechen, an Alexandre und die
anderen und den Spaß, den sie wohl miteinander in dieser Nacht
haben würden.
Er betrat das Haus durch das Hauptportal.
In einer schummrigen Ecke neben der Tür saß an einem
elegant geschwungenen, cremefarben angestrichenen Tisch eine
attraktive Frau mit langem blondem Haar und braunem Teint. Mit einem
vielsagenden Augenaufschlag sah sie den Besucher an.
»Sie sind angemeldet, Monsieur?« Es sollte klingen wie
eine Feststellung, aber Belmond hörte die Frage heraus.
»Nein, aber Freunde erwarten mich. Ein Tisch ist
reserviert…«
Sie lächelte.
Im ’Venus’ gab es viele kleine Räume und Separees.
Jacques Belmond hatte das Gefühl, einen Palast zu betreten. Das
Interieur der einzelnen Räume war unbeschreiblich. Daß die
meisten Dinge in schummriger Umgebung mehr zu ahnen, als zu sehen
waren, verlieh dem Ganzen noch eine besondere Note.
Zigarettenrauch und Parfümgeruch hingen in der Luft.
Ein gut gewachsenes junges Mädchen, neunzehn oder zwanzig
Jahre alt, bewegte sich mit der Eleganz eines Mannequins zu dem
neueintretenden Gast und begrüßte ihn mit freundlichem
Lächeln. »Darf ich bitte Ihre Tischnummer wissen, Monsieur?
Ich möchte Sie gern begleiten…«
Der Service funktionierte. »Tut mir leid! Die Nummer habe ich
nicht, aber meine Freunde sind schon da. Wenn Sie… ah, da ist ja
Alexandre…«
Jacques Belmond war froh, als der Freund auftauchte. Alexandre war
groß und schlank, hatte glatt nach hinten gekämmtes Haar
und sah eher aus wie ein Buchhalter als ein Lebemann, der er so gern
sein wollte.
Er schlug dem Ankömmling freundlich auf die Schultern,
hauchte dem ’Servicemädchen’ einen Kuß auf die
Stirn und meinte: »Wenn du dich schon hierher bemüht hast,
Jeanette, dann wäre es natürlich nett, du wurdest uns alle
beide zum Tisch begleiten…«
Das Mädchen lächelte. Weiße Zähne schimmerten
wie polierte Perlen zwischen ihren feuchten, schöngeschwungenen
Lippen. »Aber gern! Dafür bin ich ja da…«
Sie hakte sich bei den beiden Männern unter und führte
sie zu dem angegebenen Tisch.
Der stand in einer Ecke. An ihm saßen außer den
Freunden Alain und Alexandre noch drei gutaussehende Mädchen,
die nur spärlich bekleidet waren. Aber das wenige, das sie am
Leib trugen, zeigte wie gut eine Frau ihre Reize zur Geltung bringen
konnte.
Jacques Belmond wurde mit großem Hallo empfangen.
»Euer Freund sieht aber miesepeterisch aus«, sagte die
Dunkelhaarige neben Alain. Sie hieß Gisi, hatte
schrägstehende Katzenaugen und sinnliche Lippen, die zum
Küssen einluden. »Ich glaube, wir müssen ihn wohl ein
wenig aufheitern.«
Belmond stimmte in das allgemeine Gelächter am Tisch ein.
Bis Mitternacht war noch Zeit, aber schon jetzt zeigte sich,
daß Alexandre mindestens in einer Hinsicht sein Versprechen
nicht halten konnte. Schon jetzt wurde hauptsächlich Sekt
verkonsumiert, zwar nicht von der teuersten Sorte, aber immerhin
– die Preise waren gepfeffert…
Am Nebentisch saß ein Mann mittleren Alters, der eine
kastanienbraune Schönheit küßte. Ihre wallende
Haarflut reichte bis weit über die Schultern.
Nur wenig später verließ das Paar den Tisch und
verschwand in einem Separee. Leise raschelnd wurde der Vorhang
zugezogen.
»Mein Freund Jacques ist reich… Darauf könnt ihr
euch verlassen… Ich flunkere nie«, sagte Alexandre mit
spitzbübischem Lächeln. »Das beste Pferd hier im Stall
– er kann’s bezahlen. Dafür lege ich meine Hand ins
Feuer.«
»Ich habe das Gefühl, du übertreibst doch ein
wenig«, mußte er sich von der Blonden an seiner Seite
sagen lassen. Sie war zierlich, mädchenhaft und hatte lange
Beine, was durch den knappen, enganliegenden Rock noch besonders
betont wurde.
Sie hieß Janine. »Mich würde es tatsächlich
interessieren. Es gibt nur eine Schönste – und die
können verdammt wenige haben. Aber ich glaube nicht, daß
dein Freund das nötige Kleingeld dafür aufbringt.«
Jacques Belmond hatte schon genügend getrunken, um sich zum
Widerspruch herausfordern zu lassen. »Alexandre sagt die
Wahrheit. Wer ist die Schönste in
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