Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
Gesicht Baktars eine
Verwandlung vor sich.
*
Es wirkte wie aus Stein gemeißelt. Die Augen blickten Mahay
starr an.
»Ramos… gut. Es ist nicht meine Aufgabe, zu erfragen,
wer Sie schickt und woher Sie es wissen, es ist ebenso wenig meine
Aufgabe, herauszufinden, was für einen Grund Sie haben. Steckt
eine gute oder böse Absicht dahinter… Bitte, kommen Sie mit
in meinen Wohnwagen. Ich möchte nicht, daß jemand uns hier
draußen stehen sieht…«
Wortlos ging er Rani voran, schloß die Tür seines
Wohnwagens auf und bat seinen Gast herein.
Der Wagen war freundlich und so bequem eingerichtet, wie es unter
den beengten Verhältnissen möglich war. Ranis Blick ging
unwillkürlich zum anderen Ende des kleinen Raums. Dort war ein
Vorhang vorgezogen und trennte etwas ab.
»Der Zugang zu Ramos«, sagte Baktar sofort, als errate
er Mahays Gedanken. Er schüttelte den Kopf. »Im Leben gibt
es manchmal seltsame Zufälle. Als ich vorhin versuchte mit Hilfe
des Gefäßes und der Geister Ihre Fragen zu beantworten,
erkannte ich sofort das einmalige, nicht alltägliche Schicksal
Ihres Freundes. Aber ich hätte nie geglaubt, daß sich
unsere Wege noch mal kreuzen würden – auf diese Weise wie
es jetzt geschieht.«
»Das mit dem Herauslesen aus dem Zaubergefäß, ist
doch nur ein Trick, nicht wahr? Es wäre interessant zu erfahren,
wie Sie es wirklich anstellen, hinter all die Geheimnisse zu
kommen…«
Baktar schüttelte heftig den Kopf, und Rani Mahay unterbrach
sich.
»Sie irren sich«, sagte der Zigeuner mit leiser Stimme.
Er nahm das weiße Tuch weg, in das das Gefäß
eingeschlagen war. »Da Sie nach Ramos gefragt haben, werden Sie
schon bald die Dinge sehen, die über das hinausgehen, was ich
normalerweise andere Menschen wissen lasse. Sie werden
gewissermaßen zu einem Adepten, zu einem Eingeweihten, der sein
Geheimnis ein Leben lang bewahren muß. Es ist so, wie ich
sagte. In dem Gefäß sind Kräfte, die sich mir
mitteilen. Kräfte, die direkt mit ›Ramos‹ zu tun
haben, und deshalb dürfen Sie es auch wissen…«
Das Wort ›Ramos‹ war wie ein Sesam-öffne-dich.
Baktar legte ein völlig anderes Verhalten an den Tag und
behandelte ihn zuvorkommend und freundlich.
»Hier, sehen Sie selbst…« Mit diesen Worten hielt
der Zigeuner Rani Mahay das Gefäß hin. Es war aus
allernächster Nähe doch sehr groß. Wie eine
Schüssel mit hohen, massiven Kupferwänden.
In der Öffnung schimmerten verschiedene Farben.
Diese Farben hatten eine bestimmte Form.
Rani hielt den Atem an und mußte zweimal hinsehen, ehe er
glauben konnte, was er sah.
Kleine, bunte Menschen, die wie Geister geschmeidig nach allen
Seiten hin davonglitten, wieder zurückschnellten, einen Salto
mortale vollzogen und sich ehrerbietend vor den beiden Männern
verneigten, die in das Gefäß blickten…
*
»Es sind die Geister, die das All beherrschen, und von
unserem eigenen Geist ist in jedem von ihnen etwas enthalten. Diese
Geschöpfe – sind zum Dienen bereit. Aber ihre Kraft ist
nicht unerschöpflich. Sie müssen für ihre
Dienstbereitschaft mit Energie versehen werden…«
»Dann stimmt also, was Sie vorhin sagten, Baktar… die
Energie läßt nach…«
»Ja. Es war die volle Wahrheit.«
»Und womit wird sie aufgeladen? Schließlich treten Sie
jeden Tag in zwei Vorstellungen auf…«
»Damit…« Baktar zog eine Schublade auf und
öffnete eine verschlossene Kassette. In blauen Samt
eingehüllt befanden sich einige Bruchstücke eines harten,
scharfkantigen Steins. Er war blutrot. »Man nennt diesen Stein
›das versteinerte Auge‹…«
Mahay kannte einen anderen Begriff, der sich von dem, den Baktar
verwandte, gar nicht so sehr unterschied.
In dem Samttuch waren Reste des Auges des Schwarzen Manja
eingeschlagen!
»Ich gebe immer nur eine winzige Spitze in das
Gefäß, wie die Überlieferung es vorschreibt«,
fuhr der Zigeuner fort. »Die Macht soll lange reichen. Ohne den
roten Stein ist auch ›Ramos‹ hilflos…«
»Bedeutet das, daß je größer das
Bruchstück ist, das, Sie in das Gefäß geben, desto
größer die Ausbeute an Informationen und Gaben
ist?«
»Genauso ist es. Es gab Zeiten, da wurden die dienenden
Geister groß wie Menschen. Für sie gibt es in dieser Welt
keine Mauern. Sie durchdringen die Materie und beherrschen sie. Sie
können Materie formen und Gedanken zur Wirklichkeit werden
lassen. Sie sind ebenso imstande, diese Welt hinter sich zu bringen
und jede beliebige andere
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