Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
Passagen.
Eine ältere Frau wollte ein Erlebnis aus ihrer Vergangenheit
wissen. Das Ereignis lag fünfunddreißig Jahre zurück.
Die Frau beschrieb den Tag – und dann führte Baktar wie in
Trance die Erzählung weiter aus.
»… es ist das letzte Jahr vor Kriegsende. Sommer. Sie
sind mit mehreren anderen Frauen auf dem Feld. Das Korn ist reif,
muß geschnitten werden. Plötzlich ein unheimliches
Geräusch in der Luft. Dumpfes Motorgedröhn, das
zwischendrin aussetzt. Sie starren nach oben. Eine einzelne Maschine
jagt über den Himmel… schießt steil nach unten. Ein
deutscher Bomber. Nur etwa dreihundert Meter von Ihrem
Beobachtungsplatz entfernt ist die Absturzstelle. Sie und die anderen
Schnitterinnen haben sich zu Boden geworfen und erwarten die
explodierenden Bomben. Die hat der Pilot aber längst vorher
abgeworfen. Wie durch ein Wunder wird er aus der Maschine
geschleudert und kommt mit schweren Verletzungen davon. Sie schaffen
mit Ihren Freundinnen diesen deutschen Soldaten ins Haus und pflegen
ihn gesund. Er wird später Ihr Mann…«
»Ja, ja, es stimmt. Alles…« Die Frau war
gerührt, Tränen schimmerten in ihren Augen.
So ging es weiter. Ein solches Maß an Genauigkeit und
Detailfreude war einmalig. Baktar war mit seinem
›Zaubergefäß‹ ein Genie!
Es gelang auch Rani, sich zu Wort zu melden. Er nutzte die
Gelegenheit, von seinem Freund Björn zu sprechen und ließ
durchblicken, daß er sich Sorgen mache und nichts über
sein Schicksal wisse.
»Gut«, nickte Baktar, »ich werde die Geister in dem
Gefäß befragen.« Murmelnd wandte er sich an sie.
Und Wort für Wort, das er dann erfuhr – so jedenfalls
erweckte es den Anschein – gab er wieder.
Er sprach von einem fernen Land, dessen Name er leider nicht
nennen könne. Fing danach an zu stottern, weil die Kräfte
in dem Gefäß nachlassen würden, wie er zu seinem
Leidwesen eingestehen mußte.
»Die Möglichkeit, mit den Geistern Kontakt zu halten,
besteht immer nur bis zu einer gewissen Grenze«, entschuldigte
er sich plötzlich. »Wir müssen uns beeilen und zu
einem Ende kommen, ehe die Brücke völlig
zusammenbricht…«
Er sprach noch von einer großen Gefahr für Hellmark,
einer nicht minder großen Unsicherheit für seine Zukunft
und im Moment sehe er, Baktar, in der Tat keinen Weg, wie man diesem
Mann zu Hilfe kommen könne. Dann brach er diesen Versuch ab.
Er wandte sich einem leichteren Feld zu. Wünsche sollten
erfüllt werden, ehe die ›Geister-Energie‹, wie er sich
ausdrückte, völlig aufgebraucht war.
Was er mit Hilfe der ›Geister aus dem
Zaubergefäß‹ schuf, das konnte sich sehen lassen.
Für die Kinder und Jugendlichen wurden die kommenden Minuten zu
einem unvergeßlichen Erlebnis.
Aus dem Nichts heraus entstanden hundert schöne Dinge.
Angefangen von der einfachen, bunten Papierblume, über
buntbemalte Luftballons, die durch das Zeltinnere schwebten bis hin
zu Spielzeugautos, Lokomotiven und Plüschtieren entstand alles,
was Kinderherzen begehrten. Jeder der kleinen Zuschauer bekam irgend
etwas ab von dem Segen.
Als Baktar sich verabschiedete, begleitete ihn langanhaltender
Beifall. Ein richtiger Beigeisterungstaumel brach los. Aber der
Zigeuner in dem Glimmeranzug tauchte kein zweites Mal auf, um die
Ovationen entgegenzunehmen.
Clowns schafften einen Übergang zum nächsten Auftritt.
Nach Baktars Darbietung gab es für Rani Mahay keinen Grund mehr,
länger im Zelt zu bleiben.
Draußen begann bereits die Dämmerung. In einigen
Wohnwagen brannte schon Licht.
Der Geruch von Kaffee lag in der Luft.
Rani sah Baktar quer über den Platz laufen, beschleunigte
seinen Schritt und holte auf. Baktar hatte es offensichtlich eilig,
in seinen Wohnwagen zu kommen.
Rani sprach den Zigeuner an.
»Entschuldigen Sie mich bitte, Monsieur«, sagte Baktar
höflich aber bestimmt. »Ein solcher Auftritt ist für
mich jedesmal sehr anstrengend. Ich brauche dringend Ruhe. Dem, was
ich Ihnen bereits im Zelt sagte, kann ich nichts hinzufügen. Es
tut mir leid! Ihr Fall ist besonders schwierig.«
»Gerade deshalb habe ich Sie gesucht«, sagte Rani
schnell, ehe Baktar fortfahren konnte. »Vielleicht können
wir doch etwas unternehmen. Gemeinsam. Ich bin bereit, jede
Konsequenz zu ziehen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte der
Zigeuner unwillig.
Da nannte Mahay das Stichwort, das ihm von Ak Nafuur mitgeteilt
worden war.
»Ich soll bei Ihnen nach Ramos fragen«, sagte er
einfach.
Im gleichen Augenblick ging mit dem
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