Macabros 087: Myriadus, der Tausendfaltige
jenes rätselhafte Etwas, hatte ihn zuvor
gepackt und ausgesaugt wie die Spinne eine Fliege. Nur die
äußere, unverdaubare Hülle, kalt, verschrumpelt und
ausgedörrt, war von ihm übrig geblieben…
Die Weisen, die Propheten und Priester, die führenden
Herrscher der Xantilonregionen – sie alle wußten schon
eine ganze Menge über die sieben Hauptdämonen. Björn
setzte seine Lektüre im ›Buch der Gesetze‹ fort und
hoffte, einen Hinweis auf ›Skrophuus‹ zu finden. Ak Nafuur,
den er vorhin darüber fragte, hatte nichts auszusagen
gewußt.
Geheimnisse des Mikrokosmos’ waren ihm nicht vertraut.
Dafür waren andere zuständig. Utosh-Melosh-Orsh zum
Beispiel, oder Shab-Sodd… Nh’or Thruu, der eine ganze Welt
regiert hatte, existierte nicht mehr. Er war ein Opfer des
›Schwertes des Toten Gottes‹ geworden.
»Ich kann dir einen Hinweis geben«, sagte da die Stimme
in ihm.
»Al Nafuur’.« Hellmark fuhr zusammen, als die
Gedankenstimme plötzlich ihn beherrschte. »Die ganze Zeit
über versuche ich, mich mit dir in Verbindung zu
setzen.«
»Und stelle dir vor, ich hab es auf einmal vernommen«,
klang es fröhlich zurück. »Du hast so laut geschrien,
daß ich es im Schlaf gehört habe.«
Das war typisch Al Nafuur. Wenn er Gelegenheit hatte zum Scherz,
nutzte er sie aus.
»Ich hab schon gedacht, alles wäre nichts weiter als ein
Traum«, fuhr der Unsichtbare in seinem Bewußtsein zu
sprechen fort. »Ich konnte dich in der Welt des mikroskopisch
Kleinen nicht mehr erreichen.«
»Ich hätte deine Hilfe dringend nötig gehabt,
Al.«
»Tut mir leid, Björn… aber du hast es noch mal
geschafft. Und das ohne meine Hilfe.«
»Wenn Skash der Magier nicht gewesen
wäre…«
»Er war aber gewesen! Und dadurch ist einiges wieder ins Lot
gekommen.«
Hellmark hörte die Stimme so deutlich, als stünde der
Sprecher direkt neben ihm.
»… du beschäftigst dich mit ›Skrophuus‹,
wie ich bemerke.«
»Dann weißt du etwas über ihn, Al?«
»Wissen ist zuviel gesagt. Es gibt da einige Erkenntnisse
über ihn, nichts weiter sonst. Ich habe versucht, neue
Einzelheiten über ihn herauszufinden. ›Skrophuus‹ ist
ein Begriff aus der Sprache der Horron-Barbaren und bedeutet soviel
wie ›Zelle aus dem Körper des Großen‹. Für
das Wort ›Großen‹ kannst du auch – Myriadus
setzen…«
Björn hatte das Gefühl, als würde jemand mit einer
Rasierklinge über seinen Kopf fahren.
»Myriadus!«
Er war einer der Hauptdämonen.
»Der Tausendfältige, ja, Björn, der kann
überall sein. Teile seines Körpers sind verstreut in alle
Himmelsrichtungen wie Staubkörnchen, im Land Horron nannte man
diese Zelle ›Skrophuus‹. Er kann klein sein wie eine
Mikrobe und gigantisch wie ein Riese, der eine ganze Stadt
zertrümmert, als wären die Häuser nur Bausteine, mit
denen ein Kind spielt.«
»Es gibt zum Glück keinen ›Skrophuus‹ in
unserer Welt, nicht wahr?«
»Genau das Gegenteil ist der Fall, Björn… ich habe
es nicht miterlebt und kenne die Situation nur aus deinem
Bewußtsein. Der Kampf in Horron, die Begegnung mit dem
Barbar… sie war der auslösende Faktor. Wurzeln des
›Skrophuus‹ wurden durchgetrennt, und er hat sich aus
eigener Kraft schließlich befreit. ›Skrophuus‹ ist in
deiner Welt, Björn…«
»Wo, Al?« Helimark schluckte. Langsam erhob er sich aus
dem steinernen Thron und ging über die Stufen nach unten.
»Der Ort, Björn, ist mir unbekannt. Ich weiß nur,
daß es Myriadus, dem Tausendfältigen, gelungen ist, die
Grenzen zu überwinden. Er hat die Chance genutzt, auszubrechen
und Horron zu verlassen, wo es für ihn nichts mehr gab, was ihn
zuletzt gehalten hätte. Die Zeit wurde verändert. Das Leben
in Horron hat sich von Grund auf gewandelt. Durch Skashs Eingreifen.
Der Keim des Myriadus ist in deine Welt gekommen. Dies bringt neue,
unkalkulierbare Gefahren mit.«
»Das ist meine Schuld«, sagte Björn Hellmark leise.
»Ich habe mitgeholfen, die Wurzeln des ›Skrophuus‹ zu
kappen…«
»Du hast nichts damit zu tun, die Umstände sind schuld
daran.«
»Wo ist ›Skrophuus‹ jetzt? Es genügt mir eine
ungefähre Angabe, Al.«
»Ich weiß es nicht. Ich würde es dir sonst sagen.
Achte auf die Zeichen, wenn sie auftreten, sie sind
unübersehbar.«
Hellmark merkte, wie die Stimme sich aus seinem Bewußtsein
zurückzog. Al Nafuur wollte seinen Ausführungen noch etwas
hinzufügen, doch dazu reichte die Zeit nicht mehr. Die
Verbindung in jenes rätselhafte Zwischenreich
Weitere Kostenlose Bücher