Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen
zu
überschauen.
Der großgewachsene Fremde mit dem blonden Haar und dem
kühn geschnittenen Gesicht des Abenteurers war jedoch weit und
breit nicht mehr zu sehen. Dabei konnte er in der Kürze der Zeit
weder die breite Straße überquert, noch ein Geschäft
betreten haben. Gerade in diesem Abschnitt der Avenida gab es keine
Bank, kein Geschäft, in das der Fremde hätte gehen
können.
Björn Hellmark hielt sich meilenweit von der Stelle entfernt
auf, an der er eben noch gesehen worden war.
Er hatte sich mit Macabros’ Hilfe dorthin versetzt, wo
moderne Hochbauten das Bild der Stadt bestimmten.
In einem Bürohochhaus, dessen Räume von mehreren Firmen
gepachtet worden waren, befand sich auch die Redaktion und Verwaltung
der ›Semanta Nueve‹, eines wöchentlich erscheinenden
Magazins, das zu den beliebtesten Mexikos zählte.
Björn lief die breiten Marmorstufen hoch. Außerhalb des
gläsernen Portals hingen die glänzenden Ganzmetallschilder,
die aussahen wie poliertes Silber. Auf ihnen standen die Namen der
Firmen und die Etagen, in denen sie zu finden waren.
Im sechsten Stock lagen die Redaktionsräume von ›Semanta
Nueve‹.
Die Abteilungen waren nicht einfach zu betreten. Zuerst
mußte man an einem Portier vorbei, der sich dafür
interessierte, zu wem der Besucher wollte.
Hellmark trug sein Anliegen vor.
»Evita Mochares?« echote der Mann in seinem Glaskasten,
und man sah ihm an, daß er verwirrt war. »Sie ist nicht
mehr im Team. Tut mir leid, Senor, daß ich Ihnen keine andere
Auskunft geben kann…«
»Mir ist auch geholfen, wenn ich einen Kollegen oder eine
Kollegin sprechen kann, die eng mit ihr
zusammenarbeiteten…«
»Mhm…«, machte der Mann und kratzte sich im Nacken.
»Nehmen Sie bitte einen Moment Platz. Ich werde sehen, was ich
tun kann.«
Er griff nach dem Telefonhörer.
»Hallo, Julio«, sagte der dann, »da ist jemand, der
interessiert sich für Evita. Wenn du mal kurz
’rüberkommen könntest? Wer es ist? Er nennt sich
Björn Hellmark… nein, war bisher noch nicht hier. In
Ordnung… ich schicke ihn ins Konferenzzimmer II…«
Der Mann legte auf.
Hellmark war außerhalb des gläsernen Kastens kein Wort
des Gesprochenen entgangen.
Der Mexikaner öffnete ihm die Tür und ließ
Hellmark in den Korridor. Hier mündeten mehrere Türen.
»Konferenzzimmer II ist auf der rechten Seite, Senor«,
erklärte der Portier freundlich. »Senor Julio Hernandez
wird gleich da sein. Er wird alle Ihre Fragen über Senorita
Evita beantworten können…«
Konferenzzimmer II war mit hellgrüner Grastapete ausgestattet
und mahagonifarbenen Möbeln. Auf dem messingfarbenen Tisch stand
ein Strauß mit frischen Hibiskusblüten und ein
großer, leerer Aschenbecher. Auf einer Ablage fanden sich
mehrere Zeitschriften. Alles Druckwerke aus dem eigenen Haus. Auch
die letzte Nummer von ›Semanta Nueve‹.
Björn setzte sich in einen der Ledersessel, lehnte sich
zurück und schlug die Beine übereinander.
Er griff nach einer ›Semanta Nueve‹, um sich die
Wartezeit zu verkürzen. Absichtlich nahm er eine ältere
Nummer, da ihn das Titelbild ansprach.
Er blätterte die Zeitschrift flüchtig durch.
In der Mitte stieß er auf einen Bildbericht, der von Julio
Hernandez und Evita Mochares zusammengestellt war.
Es handelte sich um eine Reportage über ein Eingeborenendorf
in den Anden. Evita und Julio hatten sich dort einige Wochen
aufgehalten, um besonders die Eigenart der Menschen, ihre Geschichten
und Überlieferungen zu studieren.
Evita Mochares hatte es offensichtlich auch nach ihrer
Rückkehr aus einem unheimlichen Reich in der Vergangenheit der
Erde nicht fertiggebracht, rätselhafte Gerüchte links
liegen zu lassen.
Der Aufenthalt in den Anden, mitten unter den Indios, schien eine
Fortsetzung dessen zu sein, was sie damals erfuhr.
Die Götter- und Götzenwelt der Indios interessierte sie
ebenso stark wie die Märchen. Sie sah darin eine Verbindung.
Aufgrund eines solchen Hinweises hatte sie damals das ›
Vergessene Dorf‹ und die abseits jeglicher Zivilisation lebenden
Mayas entdeckt, die noch so lebten wie vor Jahrhunderten…
Konnte es sein, daß sie eine neue Exkursion vorbereitete,
dann aber krank wurde und sie nicht antreten konnte - oder hing ihr
Verschwinden ganz und gar mit einem neuen Unternehmen zusammen?
Hellmark warf einen Blick auf das Titelblatt, suchte das
Erscheinungsdatum der Ausgabe – und erschrak…
Das konnte doch nicht sein!
Die Artikelserie, die Evita Mochares
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