Macabros 100: Rha-Ta-N'mys Schreckenszentrum
zu tun hatten. Ein Mann, der inzwischen gelernt hatte,
auch nach nicht herkömmlicher Weise zu denken und zu handeln,
wenn die Vorschriften ihm diesen Spielraum ließen.
Carminia sollte sich an Steven McKenseys Fersen heften. McKensey
war Kriminalreporter und arbeitete für verschiedene
Blätter, war freier Journalist. Er hatte beste Kontakte zu
Informanten und außerdem den richtigen Riecher für
außergewöhnliche und heikle Dinge. Richard Patrick
bediente sich des öfteren der Dienste des Reporters und hatte
von ihm schon manch wertvollen Hinweis erhalten. Hinzukam, daß
Carminia Brado McKensey gut kannte. Der hagere Amerikaner referierte
mit ihr, als es darum ging, das Rätsel der vierzehn
Verschwundenen zu lösen. Hellmark hatte sie miteinander bekannt
gemacht. Carminia fungierte bei diesen Treffen stets als Mitarbeitern
zur besonderen Verwendung für Patricks Büro. Mehr
wußte McKensey nicht. Er hatte ein Auge auf die
bildhübsche, rassige Brasilianerin geworfen. Sie hatte ihn aber
inzwischen wissen lassen, daß ihr Herz nicht mehr frei
war… Daß McKensey sich dennoch Hoffnungen machte, war
seine Sache.
Von ihrem ›Spionageauftrag‹ aber wollte Carminia Brado
diesmal nichts wissen. »Kommt nicht in Frage«, stellte sie
in lakonischer Kürze und mit Bestimmtheit fest, »ich werde
auf keinen Fall von deiner Seite weichen, wenn du den entscheidenden
Schritt tust…«
»Du wirst mir mehr nützen, wenn…«
»Diskussionen erübrigen sich«, fiel sie ihm ins
Wort. Ihr südamerikanisches Temperament ging mit ihr durch.
»Wir gehen gemeinsam und damit basta! Eines solltest du dir
immer vor Augen halten: ich war einst Loana, die Tochter des Hestus.
Ich weiß, wie man mit einem Schwert umgeht. Und zwei Hände
mehr, die zu kämpfen verstehen, können dir mehr
nützen, als du vielleicht selbst wahrhaben willst. Du denkst an
Macabros, deinen Doppelkörper. Du bist nicht allein –
glaubst du das wirklich? Es gibt Ebenen und Dimensionen, die von
schwarzmagischer Atmosphäre so erfüllt sind, daß sie
wie Störfelder auftreten. Dann sind auch deine Kräfte
eingeschränkt. Denk’ nur an Lemuria…«
»Lemuria war eine Ausnahme.«
»Das ist noch nicht erwiesen. Nicht bei all diesen
merkwürdigen Zusammenhängen und Zufällen, an die ich
nicht mehr glauben will. Vielleicht wirkt auch hier die Kraft, die
das Manja-Auge aufgelöst hat und deren Ursprung uns nach wie vor
ein Rätsel ist. Mir ist das Ganze immer noch unheimlich. Es
läßt mir keine Ruhe…«
»Ja, das merke ich…«
Sie stand ihm gegenüber. Zärtlich glitten ihre Finger
über sein gebräuntes Gesicht. »Und – da ist noch
etwas. Ich liebe dich – wir gehören zusammen seit meinem
ersten Leben, das abrupt zerstört wurde, ehe unsere Liebe damals
Erfüllung fand. Schon einmal wurde ich von dir getrennt: Durch
den Tod! Wenn diesmal etwas sein sollte – möchte ich auch
im Tod mit dir zusammen sein«, flüsterte sie, ohne
daß die Umstehenden es hörten.
*
Die Nacht war kühl und regnerisch.
In den einsamen, fast laublosen Bäumen, pfiff der Wind.
Die Wolken hingen tief und wurden rasch vom Westen herangetrieben.
Wenn die Wolken aufrissen, war die große, fahle Scheibe des
vollen Mondes zu sehen. Er strahlte kaltes Licht aus und tauchte die
unter ihm liegende Landschaft in geisterhaften Schein.
Das Gelände war eben, sehr flach. Die Straße
führte wie eine dunkle Schnur hindurch.
In dem klapprigen VW-Bus mit deutschem Nummernschild saßen
drei junge Leute. Ein Mädchen, zweiundzwanzig Jahre alt und zwei
bärtige Männer, die sich wie ein Ei dem anderen glichen.
Das waren Peter und Klaus Wernik. Obwohl sie aussahen wie eineiige
Zwillinge, waren sie keine. Peter war vierundzwanzig und damit zwei
Jahre jünger als sein Bruder Klaus. Dennoch waren beide gleich
groß, hatten die gleiche Statur und den gleichen Haar- und
Bartwuchs. Und wegen des Vollbarts fielen die wohl schärferen
Linien neben den Lippen Klaus Werniks nicht auf.
»Jetzt müßten die Steine bald auftauchen«,
sagte Peter Wernik. Seine Stimme klang gelöst, beinahe heiter,
trotz des ständigen Regens und der anstrengenden Fahrt.
»Vorausgesetzt, daß keiner sie in der Zwischenzeit geklaut
hat…«
Sandra Gerhusen lachte. Sie war mit Peter Wernik verlobt und nahm
an der Reise der beiden Brüder quer durch Großbritannien
teil.
Peter durchfuhr die Insel halb zum Vergnügen, halb in
offiziellem Auftrag. Er arbeitete für’s Fernsehen und
wollte einen Film drehen, in dem er
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