Macabros 100: Rha-Ta-N'mys Schreckenszentrum
richtet, habe ich keinen Grund, auf mich aufmerksam
zu machen. Das ist vielleicht auch völlig unnütz. Dinge,
die vor sieben Jahren waren, haben heute keine Bedeutung
mehr.«
»Das kann man sehen, wie man will…«
»Damals dachte sie noch anders. Was geschehen ist, mag
für alle ein großes Rätsel sein. Für mich ist es
praktisch nur die Ernte dessen, was sie ausgesät
hat…«
Mit einer solchen direkten Bemerkung hatte Arson am wenigstens
gerechnet.
»Wie meinen Sie das, Senor?«
»Wenn es Sie interessiert, werden wir über alles
sprechen. Wir werden unsere Gedanken austauschen. Gewissermaßen
auf Gegenseitigkeit. Ich erzähle Ihnen einiges über Carmen
Kostas Leben – und die möglicherweise daraus resultierenden
Folgen, und Sie berichten mir über Ihre Welt und Ihre Zeit. In
einer halben Stunde werde ich hier abgelöst. Es wäre gut,
wenn Sie bis dahin niemand entdecken würde und…«
Er stockte plötzlich.
»Schnell!« zischte er dann. »Hinter den Vorhang. Da
kommt jemand…«
Ein Taxi hielt vor dem Hotel.
Arson nahm die Bewegung zwei Sekunden später als Muncero
wahr.
Der Mann mit der Silberhaut lief um den Tresen herum. Muncero zog
einen Vorhang zurück, der den Zugang in ein kleines Hinterzimmer
verdeckte. Dort verbarg sich Arson. Durch den geschlossenen Vorhang
hörte er, was gesprochen wurde.
Ein Hotelgast nahm seine Schlüssel entgegen und stieg dann
die ächzenden Holztreppen nach oben.
Muncero kam in das Hinterzimmer. »Hier sind meine
Autoschlüssel«, mit den Worten drückte er Arson den
kleinen Metallbund in die Hand. »Der Wagen steht hinter dem
Haus, ein dunkelgrüner Seat. Warten Sie da auf mich… Kommen
Sie, ich führe Sie durch den Hinterausgang…«
Arson war mit diesem Vorschlag einverstanden. Im Hof war es
dunkel, und der Mann mit der Silberhaut, der an diesem Tag in der
Stadt schon so oft in Erscheinung getreten war, hatte kein Interesse
mehr, weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wer immer mit dem
unheimlichen Ereignis um Carmen Kosta zu tun hatte, würde nun
längst darüber informiert sein, daß ein
ungewöhnlicher Besucher sich dafür interessierte. Wenn
diese Aktion auf Rha-Ta-N’my oder einen ihrer Schergen
zurückging, um Björn Hellmark anzulocken und von seiner
eigentlichen Aufgabe abzuhalten, dann war mit weiteren unheimlichen
Vorfällen zu rechnen. Und so befand sich Arson bei seinem
erneuten Aufenthalt in Barcelona ständig in einem Zustand
aufmerksamer Spannung.
Doch während der Wartezeit, die er in dem Seat verbrachte,
geschah nichts, was ihn mißtrauisch hätte werden
lassen.
Die Mächte aus dem Unsichtbaren, die Dämonen und
Geister, die mit Rha-Ta-N’my verbunden waren, hielten sich
entweder noch zurück, oder sie hatten die Botschaft, die er mit
seinen Aktivitäten gesetzt hatte, nicht verstanden…
Wenige Minuten nach zwanzig Uhr kam Silvio Muncero. Er setzte sich
ans Steuer, startete den Wagen und fuhr aus dem dunklen
Hinterhof.
Muncero fuhr nicht in die Innenstadt, blieb an der Peripherie, und
es kam Arson so vor, als fahre der Spanier sogar noch weiter aus
Barcelona hinaus.
»Wohin wollen Sie?«
»An eine Stelle, die Sie interessieren wird, und an der Sie
möglicherweise mehr finden als die Polizei in Carmens Wohnung.
Selbst wenn man dort alles auf den Kopf stellt, wird man keinen
Erfolg haben. Anders wird es wohl in der alten Fabrik
aussehen.«
»Alte Fabrik?«
»Eine ehemalige Fahrradfabrik. Sie liegt ungefähr neun
Kilometer weiter nördlich von der Stadtgrenze entfernt. Die
verwitterten Gebäude sollten schon vor zehn Jahren abgerissen
werden. Dann hat sich doch niemand darum gekümmert, und so sind
sie weiterhin Wind und Wetter ausgesetzt, und sie liegen da wohl noch
in hundert Jahren, wenn sich kein Mensch darum kümmert. Carmen
war also ziemlich sicher dort…«
»Sie sind ein erstaunlicher Mann, Senor«, gab Arson
seiner Überraschung Ausdruck. »Mir kommt es fast so vor,
als wäre es am besten gewesen, sich gleich mit Ihnen in
Verbindung zu setzen… Sie scheinen viel über Carmen Kosta
zu wissen…«
»Einiges«, schwächte Silvio Muncero ab. »Wir
haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen. Durch ihren
gräßlichen Tod, von dem in allen Zeitungen zu lesen war,
wurde ich aufgeschreckt und wieder an sie erinnert…
Es war stets ihr Ziel, übersinnliche Kräfte und
Fähigkeiten zu besitzen. Sie suchte. Sie begann mit
Bewußtseinserweiterung, betrieb Meditation… als alles
nichts fruchtete, begann sie mit Anrufungen und Texten,
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