Macabros 114: Kaphoons Grab
können, war ihm ebenfalls
längst klar geworden.
Es verbarg sich jemand in der Stadt, dessen Anwesenheit er
vermutete, wofür er jedoch noch keinen Beweis hatte.
War der geheimnisvolle Gast in Gigantopolis dafür
verantwortlich, daß die Stadt sich nicht mehr am alten Platz
befand – oder hing es damit zusammen, daß er wegen der
Magie des unheimlichen Menat zeitlich ebenfalls versetzt worden
war?
Sowohl das eine wie das andere war möglich. Weder für
das eine wie das andere jedoch hatte er einen Beweis.
Ohne die Freunde, ohne Whiss und ohne Gigantopolis war sein
Schicksal besiegelt.
Nach der Gefangenschaft im Ewigkeitsgefängnis Molochos’,
nach der Trennung von seinem Doppelkörper Macabros und nun
seiner Anwesenheit in der Vergangenheit einer dämonenverseuchten
Welt, sah er keinen Hoffnungsschimmer mehr.
»Ich kann es nicht glauben, ihr Bestien«, stieß er
hervor und sah sich ratlos um, »ich kann es einfach nicht
glauben, daß nach dieser Runde mit Menat in der Legendenstadt
Kalesh alles vorbei sein soll…«
Unwillkürlich umklammerte er das › Schwert des Toten
Gottes ‹, das einzige, das ihm geblieben war, eine Waffe, die
die Dämonen wie die Pest fürchteten.
Da verhielt er im Schritt.
Die Ruhe wurde plötzlich durch einen langen Ruf
unterbrochen.
»B-j-ö-ö-ö-r-n...«, hallte es durch die
märchenhaft schimmernden Schluchten und Täler der
gewaltigen Gebirgsmassive der Kristallfelsen, die ein großer
Magier in einer Sternstunde geschaffen zu haben schien.
Hellmark zuckte zusammen.
Die Stimme kannte er.
Sie kam hinter dem Kristallfelsen hervor, der nur wenige Schritte
von ihm entfernt wie ein magisches Gebilde aus dem Boden wuchs.
»Rani…«, murmelte er. »Das ist Ranis
Ruf!«
*
Marvin Cooner spürte mit jeder Faser seines Körpers,
daß an diesem Tag etwas Besonderes war.
Er mußte ständig an die Stimme denken, die sich auf so
merkwürdige Weise mit ihm in Verbindung gesetzt hatte.
Sie wollte sich wieder melden…
Es war schon fast Mitternacht, er rauchte eine Zigarette nach der
anderen und ging in seiner kleinen Zweizimmerwohnung auf und ab. Er
wartete…
Nachdenklich stand er am Fenster und starrte auf die belebte
Straße. Die Leuchtreklame am Haus gegenüber flammte
regelmäßig auf. Rot und grün waren Name und Emblem
jener Nachtbar, die Cooner von seinem Fenster aus sehen konnte. Er
hatte sogar einen Blick auf die schmalen Balkons, wo zu
fortgeschrittener Stunde manchmal ein Pärchen auftauchte, um
sich zu küssen. Das rote Licht hinter den zugezogenen
Vorhängen signalisierte Barbesuchern, welche Zimmer schon
›belegt‹ waren.
Das hohe dunkle Haus rechts, das den Hof begrenzte, die ewig
stinkenden Mülltonnen und der alte rostige Lkw, der in diesem
Hinterhofstand, gehörten zu dem Bild einer Umgebung, die er
genau kannte.
Hier war Marvin Cooner seit Jahren zu Hause, hier kannte er jeden
Fußbreit Boden.
Realität… Diese Dinge nahm er wahr, und plötzlich
begann er sich zu fragen, ob die Erlebnisse vom späten
Nachmittag keine Halluzinationen, kein Traumgeschehen gewesen
waren.
Die beiden Menschen, die einen Herzanfall bekommen hatten, standen
noch deutlich vor seinem geistigen Auge. Die Frau, die von dem Auto
erfaßt worden war, hatte man noch an der Unfallstelle in einen
Sarg gelegt und weggebracht. Wie es dem Mann ging, wußte er
nicht. Man hatte ihn mit einem Notarztwagen abtransportiert.
Cooner warf die angerauchte Zigarette aus dem offenen Fenster auf
die Straße. Er fuhr sich durch das dichte, schwarzgelockte Haar
und stieß die Luft durch die Nase.
Ein unangenehmes Grinsen spielte plötzlich um seine
Lippen.
Er dachte an Myers, seinen früheren Chef. Der hatte ihn auf
die Straße gesetzt. Unpünktlichkeit und
Unzuverlässigkeit waren ihm vorgeworfen worden. Und – ein
Griff in die Bürokasse… Das Transportunternehmen, für
das er in ganz England unterwegs war, konnte sich natürlich
einen solchen Mitarbeiter nicht leisten. Cooner wurde fristlos
gekündigt. Seit dieser Zeit war es ihm nicht mehr möglich,
eine Arbeitsstelle zu finden. Niemand wollte ihn als Fahrer haben.
Außer Aushilfsarbeiten hin und wieder war nichts drin. So lebte
er mehr schlecht als recht, und seine Wut auf seinen ehemaligen Chef
war nie verraucht.
Macht, hämmerte es hinter Cooners Schläfen, Macht
müßte man haben...
»Du hast sie!«
Plötzlich war die Stimme wieder da. Sie erfüllte seinen
Kopf und ließ ihn hellhörig werden.
»Wieso kann ich dich hören?«
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