Macabros 125: Das Zauber-Pergament
Rezeptionisten war dabei mitgeteilt worden, daß nur ein
bestimmtes Zimmer infrage käme.
Vierte Etage, Nr. 432.
Das lag genau neben der Suite, die die Jenseitsstimmenforscherin
und Astrologin Silvia Lastrom bewohnte.
Zimmer Nr. 432 war zur Zeit belegt. Aber der Rezeptionist machte
es möglich, daß jene ältere Dame, die vor drei Tagen
angereist war, unter einem Vorwand einen Stock höher eingemietet
wurde.
Angeblich müsse ein Schaden in der Elektroversorgung behoben
werden. Die elektrische Anlage sei nicht sicher, und um einen Unfall
zu vermeiden, müsse man ihr leider diese Unannehmlichkeit
bereiten. Dafür zeigte die Dame Verständnis.
Der Rezeptionist war – das konnte sie allerdings nicht
wissen, und das wußten weder das Management noch irgendein
Angestellter des Hotels – ein Mensch mit einer
»Omega-Seele«.
Geschöpfe dieser Art erkannten sich, wußten voneinander
und kämpften diesmal sogar um ihre Existenz.
Wenn die Mission des Ehepaars »Mulins« schiefging, war
dies der Untergang einer ganzen Rasse, die sich gemeinsam mit
Rha-Ta-N’my auf die Endzeit der Erde vorbereitete.
Der Rezeptionist – ein Mann mittleren Alters, mit streng
gescheitelten Haaren, aufrechter Haltung und Grübchen in den
Wangen – gab den beiden Wartenden das vereinbarte Zeichen.
»Es kann losgehen«, sagte Capsul kaum hörbar und
schob seine Tasse zurück. »Jetzt kommt’s darauf
an.«
Leila Philips nickte ihm ernst zu. Sie wußte, was auf dem
Spiel stand. Ein Versagen konnten sie sich nicht erlauben.
Versagen bedeutete in diesem Fall Untergang der ganzen Sippe.
Rha-Ta-N’my hatte ihre Pläne mit ihnen.
Noch heute mußte Björn Hellmark hinters Licht
geführt werden, damit die Dämonengöttin einen
Schlußstrich unter ein Kapitel ziehen konnte.
Die Weichen waren gestellt.
Das Paar fuhr mit dem Lift in die vierte Etage und begab sich auf
sein Zimmer.
Silvia Lastrom war Dauermieterin im »Bristol«. Sie
liebte es, auf diese Weise zu leben.
In der sündhaft teuren Suite empfing sie ihre Klienten, von
hier aus stand sie mit vielen großen Zeitungen und Magazinen in
Verbindung.
Silvia Lastrom ließ sich ihre Beratung etwas kosten.
Wirtschaftsbosse, Manager, Banker, Politiker und vor allem die
Größen aus dem Fernseh- und Filmgeschäft
konsultierten Silvia Lastrom, die unter dem Pseudonym
»Madame« ihre Ratschläge für Gesundheit und
Lebensführung, Glück und Erfolg auch in kleineren Gazetten
veröffentlichen ließ.
Silvia Lastrom stammte aus Oslo und lebte seit ihrem
einundzwanzigsten Lebensjahr in den Vereinigten Staaten.
Zunächst in verschiedenen Städten, ehe sie seßhaft
wurde und sich im »Bristol« als Dauergast
einquartierte.
Silvia Lastrom war achtunddreißig, eine Frau in den besten
Jahren, eine Frau, die wußte, was sie wollte und auch etwas von
dem verstand, was sie tat.
Ihre Ratschläge von Verstorbenen, die sich über sie als
Medium gewissermaßen an die auf der Erde Zurückgebliebenen
wandten, waren ein Novum und kamen bei denen, die diesen
»Service« in Anspruch nahmen, auch offensichtlich an.
Silvia Lastrom stand im Morgengrauen auf und ging zu Bett, wenn es
dunkel wurde.
In dieser Zeit waren ihre Geräte ständig auf
»Empfang« geschaltet.
Sie tat dies, weil sich manchmal aus dem Jenseits Verstorbene
meldeten, ohne daß sie deshalb von ihr gerufen worden
wären.
Manchmal wurden allerdings ganz gezielte Fragen abgespielt,
unbestimmte Personen im Jenseits zu erreichen. Die Klienten, die sich
der Hilfe und der Geräte Silvia Lastroms bedienten, waren
überzeugt davon, daß alles seine Richtigkeit hatte. Sie
hatten es am eigenen Leib verspürt, daß Fragen an enge
Verwandte und Freunde nur von diesen gezielt und richtig beantwortet
werden konnten. Ein Außenstehender – nicht mal Silvia
Lastrom selbst – hätte Kenntnis von ganz intimen
Vorgängen haben können.
Offen sprachen diejenigen, die diese Erfahrung gemacht hatten, in
den seltensten Fällen in der Öffentlichkeit darüber.
Aber sie vertrauten sich Freunden und Bekannten an, die wiederum von
sich aus die Initiative ergriffen und sich ratsuchend an sie
wendeten.
Auf diese Weise wuchs mit Silvia Lastroms Kundenstamm rapid auch
ihr Vermögen. Deshalb konnte sie sich an
dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr den Luxus einer
Hotel-Suite und die Bequemlichkeit eines Service Rund-um-die-Uhr
gönnen.
Silvia Lastrom frühstückte grundsätzlich in ihrem
Zimmer. Das Frühstück kam mit der Morgenzeitung. So war die
Frau schon bei
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