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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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hatten, machten sie sich das zunutze. Die Gadsche sind dumm, sagte Štefan, vor einer ausgestreckten Hand wenden sie den Blick ab und suchen lieber in der Tasche nach ein paar Kronen, nur damit sie sich später nicht dafür schämen müssen, geizig gewesen zu sein   …
    Die Tante spazierte mit Andrejko durch den Park vor dem Hauptbahnhof, manchmal ging sie auch in die neue Bahnhofshalle, das eine oder andere Mal bummelten sie sogar bis hinauf nach Vinohrady oder nach unten in die Innenstadt, in die Jindřišská oder Opletalova. Weiter traute sie sich nicht, dort begann die fremde Welt der Valutaschieber, der Zuhälter und Nutten, der Geheimpolizisten, der Kellner aus den besseren Schuppen und anderer zweifelhafter Existenzen. Wenn die Tante dort aufkreuzte, fand sich immer jemand, der sie verjagen wollte, manchmal bekam sie auch noch ein paar Faustschläge mit auf den Weg, damit sie sich besser merkte, wo ihr Platz war. Nicht einmal Štefan hätte da Ordnung hineinbringen können, in diesen trüben Wassern kannte auch er sich nicht aus, diesen komplizierten und feinen Spinnennetzen war sein Kopf nicht gewachsen. Andere Romafamilien, die es gleich nach dem Krieg nach Prag verschlagen hatte, waren größer und mächtiger, daher gehörten die besseren Straßen, Passagen und Plätze ihnen. Die Dunkas mussten sich mit dem Bahnhof zufriedengeben.
    Andrejko war klein und dünn und zitterte ständig am ganzen Leib, weil er zum Anziehen gerade nur so viel bekam, dass er nicht erfror. Unter seiner Nase hing der Schnodder, seine Zähne klapperten, als holpere eine Karre über Kopfsteinpflaster, und vor Kälte machte er sich ständig in die Hose. Aber die Tante zog ihn erst abends um, sie hatte nämlich schnell herausgefunden, dass sie umso mehr Geld fürs Essen oder eine Fahrkarte nach Beroun oder Rokycany |18| erbettelte, je schlechter der Junge aussah. Andrejko fand das merkwürdig, sie fuhren ja nie mit dem Zug, aber wenn sich die Tante vor jemandem aufbaute und Geld verlangte, fing er gleich an zu weinen, weil auch er in dem Moment fest davon überzeugt war, dass man sie bestohlen hatte, dass sie Geld verloren hatten, dass in Beroun seine hungrigen Geschwister auf sie warteten   …
    Andrejko schlief mit seiner Cousine Jolanka unter einer Decke. Weil er dauernd erkältet war, machte er auch nachts in die Hose und das Bett stank und auch die kleine Jolanka stank, weil die Tante sich nur dann an die große Wäsche machte, wenn sie Zeit und Lust hatte, und das kam nicht gerade häufig vor. Und so verprügelte Jolanka ihn jedes Mal oder warf ihn aus dem Bett, und der Kleine musste auf dem Boden schlafen. Den ganzen Tag litt er Hunger und sein Magen knurrte, aber er durfte kein Essen annehmen. Einmal beugte sich eine Frau zu ihm hinunter und reichte ihm ein Wurstbrötchen, noch in eine Serviette eingewickelt, direkt vom Imbiss, da schlug ihr die Tante das Brötchen aus der Hand, zerstampfte es wütend auf dem Boden und schrie: Was nützt hier ein beschissenes Brötchen, der Junge hat Hunger und braucht
lovy
, Geld   …
    Und der Kleine lernte fleißig. Er lernte zu hungern, ohne Essen anzunehmen, er lernte, selbst in der größten Hitze vor Kälte zu schlottern, und er lernte, auch die kleinste Münze Onkel Štefan zu geben, der immer in der Nähe Bier trank, ein Auge auf die Bullen hatte und die Konkurrenz verjagte.

|19| 4.
    Štefan stammte aus der gleichen Gegend wie Andrejko. Seine Siedlung lag bei Snina, und da sie größer war als die von Poljana, war sie den Behörden bald ein Dorn im Auge. Vielleicht wurde sie deshalb nach dem Krieg als erste im Kreis aufgelöst. Dabei stellte man den Dunkas und den Lakatoš rosige und glückliche Zeiten in Aussicht, neue Wohnungen mit fließend Wasser, Elektrizität und Zentralheizung, Krippen für die Kinder und Arbeit für die Erwachsenen. Vor allem aber versprach man ihnen Geld, das sie aus dem Dreck und Schlamm herausholen würde, weg von den Mückenschwärmen, damit endlich Schluss wäre mit Kälte und Hunger, damit nie wieder ihre Kinder wenige Tage nach der Geburt zu Grabe getragen werden müssten. Da drüben, im Westen der Tschechoslowakei, sagten die Kreisbeamten und zeigten in die Ferne, da liege das Gelobte Land, im Böhmerwald stünden reihenweise Häuser, die früher den Deutschen gehörten, verlassene Glashütten und Hammerwerke, ganze Gutshöfe und Dörfer warteten dort auf neue Bewohner   … Die Dunkas hatten aber nicht um Arbeit gebeten, sie wussten auch nicht,

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