Mach mich wild!
der Duke ihr die Unversehrtheit genommen hatte, hoffte Anne auf eine gute Partie, damit sie das Gut ihres Vaters weiterführen konnte. Das war sie Sir Arthur schuldig. Deshalb nickte sie kurz, aber John hielt sie noch fester.
»Falls du wieder einmal eine heiße Nacht mit einem Schurken verbringen möchtest, dann weißt du ja jetzt, wo du mich findest«, raunte er ihr ins Ohr, sodass Anne am liebsten ihre Beine um ihn geschlungen hätte, um ihn nie wieder loszulassen. So ein Mann wie John – nur die Nicht-Räuber-Version – wäre genau die Art Mann, nach der sie sich schon ihr ganzes Leben sehnte.
Anne spürte, dass John etwas sagen wollte, aber es kam kein Laut über seine Lippen. Stattdessen streichelte er über ihren Rücken. Für einen kurzen Moment gab sich Anne einer schönen Illusion hin und legte den Kopf an seine Brust. Auch sie wollte ihm noch so viel erzählen, aber sie mussten sich jetzt voneinander verabschieden, sonst würde es immer schwerer werden.
Irgendwie merkte Anne, dass sich John nicht von ihr lösen konnte, deshalb machte sie einen Schritt zurück, um es ihnen beiden einfacher zu machen.
»Oh, Annie! Annie!«, rief plötzlich jemand ihren Namen. Überrascht wandte Anne den Kopf der Frauenstimme zu.
»Izabelle!« Es war ihr ehemaliges Kindermädchen! Immerhin hatte eine bekannte Seele hier die Stellung gehalten.
Lachend drehte sich Anne zu John um, aber er war verschwunden. Anne wurde das Herz schwer. Sie hatten sich nicht einmal richtig verabschiedet. Wenigstens einen letzten, leidenschaftlichen Kuss hätte sie sich gewünscht. Schon jetzt wollte sie wieder zurück in seine Arme. Ein leichter Anflug von Panik überkam sie. Würde sie tatsächlich wieder in das Lager finden? Anne war während des Ritts so von Johns Nähe gefesselt gewesen, dass sie überhaupt nicht auf den Weg geachtet hatte.
Die alte Dame kam aufgeregt auf Anne zugelaufen. Sie trug ein beigefarbenes, lang geschnittenes Gewand, über dem eine Schürze ihren runden Bauch zierte. In einigem Abstand folgte ihr ein junges Mädchen, das ebenfalls einfache Kleider trug, aber Anne kannte es nicht.
»Oh, Annie, es tut so gut, dich zu sehen!« Izabelle drückte sie herzlich an ihren üppigen Busen. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist!« Theatralisch wedelte Izabelle mit den Händen vor dem Gesicht und unterdrückte ein paar hervorbrechende Schluchzer. »Es ist alles so furchtbar!«
»Izabelle, was ist denn passiert?« Anne blickte abwechselnd die alte Frau und das Mädchen an, das vor ihr einen Knicks machte und sich hektisch als Margarite vorstellte.
»Oh, Annie, als die anderen von Sir Arthurs Tod erfahren haben, nahmen sie alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Margarite und ich haben versucht, so viele persönliche Sachen zu verstecken wie möglich, aber das meiste ist verloren.«
Anne hatte es die Sprache verschlagen. Die Angestellten ihres Vaters waren auf und davon? Sir Arthur hatte sie doch immer anständig behandelt und die Abgaben so gering wie möglich gehalten. Wer sollte sich denn jetzt um alles kümmern und die Felder bestellen? Wovon sollte Anne in Zukunft leben und wie sollten sie den Winter überstehen? »Wie konnte das nur passieren?«
»Es ging das Gerücht um, dass es keinen neuen Gutsherren mehr geben würde.« Izabelle schnäuzte sich in ein großes Taschentuch.
»Und die Tiere?«, fragte Anne hoffnungsvoll.
»Wir haben nur noch unsere alte Milchkuh.«
Alles verloren ... Anne stand vor dem Nichts.
Während sie zum Gutshaus gingen, legte Izabelle ihr einen Arm um die Schultern. »Lass den Kopf nicht hängen, Annie. Wir haben gerade eben hohen Besuch bekommen. Vielleicht kann er dir helfen.«
»Besuch?« Anne runzelte die Stirn, während sie über die Schwelle in das Haus trat. Wer konnte das sein? »Ist es ein Freund meines Vaters?«
»Oh nein.« Izabelles Augen leuchteten, ebenso ihre Wangen. »Es ist der Duke of Canterbury!«
»Was?!« Anne schien es, als würde sämtliches Blut in ihren Adern zu Eis gefrieren. »Der Duke?!«
»So ist es, meine Liebe!« Die unverkennbar kühle Stimme des Adligen drang aus einer dunklen Ecke, bevor er plötzlich vor ihr im Hausflur stand.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Anne das Mädchen Margarite, das den Duke geradezu anbetete. Anne musste zugeben, dass er äußerst gut aussah. Er war hoch gewachsen und kaum älter als Anne, besaß breite Schultern – die er zusätzlich auspolsterte – und ein sehr männliches, wenn auch noch junges Gesicht.
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