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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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allerdings nur von weitem. Heute: das erste Mal, dass er den Boss von nahem sah. Oder, besser gesagt, spürte. Denn es war so: Radovans Anwesenheit im Raum war zu spüren. Der Kerl strahlte Autorität aus. Selbst die Albaner erstarrten. Standen auf, ergriffen die Hand des Jugobosses, gaben Küsschen, setzten ein geheucheltes Lächeln auf, lachten.
    Radovan war definitiv nicht der mächtigste Mann, hatte nicht den gefürchtetsten Blick, nicht den respekteinflößendsten Gang – auch wenn man ihm ansah, dass der Boss vor zwanzig Jahren mal einer der Größten gewesen sein mochte. Es war etwas anderes: Er verbreitete eine Aura um sich herum, bewegte sich mit einer Ungezwungenheit, die ausschließlich eins zum Ausdruck brachte – Macht. Und sein Äußeres: nicht, dass Mahmud sich mit Anzügen auskannte, aber der, den R trug, sah extrem exklusiv aus.
    Die Mädchen in seinem Gefolge waren völlig unterschiedlich. Die eine: musste eine Hure sein oder eine Art Geliebte. Hochhackige Stiefel, megatiefer Ausschnitt, extrem geschminkt. Und die andere: jung, sehr jung und erstaunlich akkurat gekleidet. Sie erinnerte ihn an Jivan. Er fragte sich, wer sie war.
    Stefanovic trat vor, küsste Radovan die Hand. Mahmuds Blick heftete sich auf den Finger, den der Schwanzlutscher küsste: Radovan trug einen protzigen Siegelring. Augenscheinlich: Das hier war der Mann, der Mythos, der Machtfaktor Nummer eins – die absolute Legende – der Gottvater von Stockholm, seit zehn Jahren.
    Patrik ging ebenfalls auf den Boss zu. Machte es wie alle anderen – küsste Radovans Finger. Man merkte, dass er es nicht gewöhnt war; so was taten Schweden normalerweise nicht. Radovan sagte ein paar Worte zur Begrüßung. Stellte seine Frauen vor. Die eine stellte er lediglich mit Namen vor. Aber die andere, das erstaunte Mahmud – war seine Tochter. Dann gestattete er sich Patrik gegenüber eine kleine Geste: richtete den Krawattenknoten des Schweden. Ein deutliches Signal: Schön, dass du wieder draußen bist, aber du bist keiner, der was zu sagen hat. Hämmerte allen die Botschaft ein: Dieses Fest findet nicht Patrik zu Ehren statt. Wahrscheinlich ging es lediglich um die Albaner.
    Mahmud weniger als einen Meter von R entfernt. Spürte seine Anwesenheit in der Magengegend. Dann eine Überraschung – der Boss wandte sich an Mahmud. Zog die Augenbrauen hoch.
    »Und wer bist du?«
    Mahmud wusste nicht, was er antworten sollte. Brachte schließlich hervor: »Mahmud al-Askori. Ich arbeite für dich.«
    Radovan wirkte noch erstaunter. »Nein, das glaub ich jetzt nicht. Ich weiß doch, wer in meinen Unternehmen angestellt ist.«
    Stefanovic, dicht hinter Radovan, beugte sich vor. Flüsterte Radovan etwas ins Ohr.
    Mahmud hatte es überdeutlich kapiert. Kapiert, dass er sich lächerlich gemacht hatte. Kapiert, dass das hier nicht funktionierte.
    Radovan ging weiter. Mahmud würde keinen vergnüglichen Abend haben. Er konnte genauso gut die Biege machen. Aber er tat es nicht. Passte nicht in das Bild, das er von sich hatte. Suchte stattdessen die Herrentoilette auf. Zog eine Nase. Versuchte, in Gang zu kommen.
     
    Am nächsten Tag rief Ratko an. Mahmud fühlte sich groggy. Hatte in der vergangenen Nacht wie wild gefeiert. Es hatte sich so ergeben. Einige Nasen Koks und ein Flirt mit einer Braut hatten ihn in Stimmung gebracht. Nicht gut fürs Training. Er trank ein Glas Wasser. Nahm zwei Diazepam Desitin – gegen die innere Panik.
    Ratko hatte ihm bereits gestern Nacht in den Ohren gelegen. Ihm eingetrichtert, dass er einen guten Job machte. Ihm geschmeichelt. Honig um den Bart geschmiert. Gesagt: »Ich möchte, dass du uns mit ’ner Sache hilfst.«
    Mahmud zögerlich. Er wollte ja von ihnen loskommen. Sein Leben selbst in die Hand nehmen. Klar, er verdiente fette Kohle, aber er hielt die Erniedrigung nicht mehr aus. Die Jugos verarschten ihn. Aber er sagte nichts.
    Ratko erklärte. Sie benötigten Hilfe für tagsüber. Auf ein paar Mädchen aufpassen, wie er sagte. Mahmud nahm an, dass er über die Nutten redete. Die Mädels wohnten in Wohnwagen auf einem Campingplatz. Ratko wollte, dass Mahmud für alles sorgte, was sie tagsüber so brauchten.
    »Und dass sie nicht allein rausgehen. Und sich womöglich verlaufen.« Smile. Zwinker-zwinker, du-weißt-schon-was-ich-meine.
    »Ich weiß nicht, ob ich Zeit hab.«
    Ratko sagte: »Das schaffst du schon.« Klopfte ihm auf die Schulter.
    Das war eine Order.

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    Irak. Zusammen mit seiner Einheit. Mike

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