Mach sie fertig
zu Boden zwingen. Das hatte Niklas imponiert. In der Oberstufe wurde es dann besser. Benjamin hörte auf, Bräute anzubaggern, die sowieso nichts von ihm wollten. Begann stattdessen mit Taekwondo. Vier Jahre später holte er in der schwedischen Juniorenmeisterschaft Bronze. Jemand, den man auf der Rechnung haben musste.
Sie schüttelten sich die Hand. Benjamins Händedruck: wie der eines überheblichen Bodybuilders. Wollte er ihm etwas beweisen?
»Hallo Benjamin. Alles klar?«
»Alles bestens.«
»Irgendwelche Fragen über mich in der letzten Zeit?«
»In der Tat. Die Bullen haben heute Morgen angerufen und gefragt, wie lange du an besagtem Abend letzte Woche bei mir gewesen bist.«
»Und?«
»Ich hab gesagt, dass wir den ganzen Abend zusammen waren und
Der Pate
gesehen haben, und so.«
»Ehrlich, ich muss mich wirklich bei dir bedanken. I owe you one.«
Sie gingen an die Bar und bestellten. Benjamin zog Niklas mit seinem schwedisch-englischen Kauderwelsch auf. Niklas fand es nicht lustig.
Er nahm ein Guinness. Benjamin bestellte ein Loka-Mineralwasser. Niklas bezahlte für beide.
»Willst du nicht noch was anderes?«, fragte Niklas.
Benjamin schüttelte den Kopf. »Nein. Ich definier gerade.«
Niklas konnte es nicht nachvollziehen. Acht Jahre im Busch, oftmals weder mit Bier, Schnaps noch vernünftigem Essen, machten Appetit auf was Reelles.
Sie setzten sich.
Unterhielten sich. Niklas kapierte nicht so ganz, in welcher Branche Benjamin im Moment eigentlich arbeitete. Offensichtlich hatte er mal bei einer Sicherheitsfirma gejobbt. Danach als Maler. Dann war er arbeitslos. Und jetzt irgendwas Obskures.
Niklas dachte an seine eigene Biographie. Sein Lebenslauf: Einige wenige Lichtblicke – der überwiegende Teil seiner Kindheit und Jugend war geprägt von Eintönigkeit, Ausgeschlossensein und Angst. Die Langeweile, die ihn jeden Samstag überkam, wenn er darauf wartete, dass Mama von der Arbeit kommen würde. Das Ausgeschlossensein in der Schule. Die Tatsache, dass alle offensichtlich längst kapiert hatten, dass bei Niklas Brogren zu Hause irgendetwas nicht in Ordnung war, aber keiner ein Wort darüber verlor. Die Furcht davor, dass der verdammte Kerl Mama totschlagen würde. Die Angst, abends einzuschlafen, vor allen Albträumen, vor Mamas Flehen, Schreien, Weinen. Vor den Ratten. Und dann die Lichtblicke. Die Musterung. Das Jahr bei den Gebirgsjägern. Die Kicks vor den Kampfeinsätzen. Die ersten Male, die er an einem richtigen Feuergefecht in Afghanistan teilgenommen hatte. Die Feste mit den Männern im Irak nach mustergültig ausgeführten Aufträgen.
Benjamin sah von seinem Monolog auf.
»Hallo. Hier ist das Vögelchen. Hörst du mir überhaupt zu?«
»Kein Problem, bin nur gerade etwas abgedriftet«, lachte Niklas.
»Aha, und wohin?«
»Du weißt schon, meine Mutter und so.«
»Aha. Dann kann ich dir was erzählen, das dich auf angenehmere Gedanken bringt. Ich hab nämlich in ’nem Schießclub angefangen. Hab ich das schon erwähnt? Es macht verdammt Spaß. Bald bekomm ich ’ne Lizenz und kann mir meine eigene Zweiundzwanziger kaufen. Mit ’nem Revolver muss ich allerdings noch warten. Aber für dich ist das wahrscheinlich nichts Besonderes. Du hast ja bestimmt schon wer weiß wie oft geschossen, oder?«
»Das kann man wohl sagen. Aber da unten haben wir meistens nur zum Spaß mit ’ner Pistole trainiert.«
»Cool. Man kann sich von so ’nem Ding ganz schön täuschen lassen, oder? Es gibt ja massenweise amerikanische Filme, in denen sie aus den merkwürdigsten Positionen losballern. Die Pistole locker in der einen Hand, als würde sie nichts wiegen.«
»Ja, ich weiß, ziemlich dämlich.«
»Ist doch Scheiße.«
»Yes. ’n ganz schöner Bluff. Mit so ’nem Griff kannst du die Treffsicherheit vergessen. Die ganze Hand wackelt bei jedem Schuss, wie bei ’nem Rentner. So ähnlich wie aus dem Laufen heraus. Das sieht man auch in jedem von diesen Streifen, sie rennen und schießen dabei. Aber jeder, der es schon mal gemacht hat, weiß, dass es nicht funktioniert.«
»Man muss es eben trainieren. Und was für Knarren hattet ihr?«
Über so etwas durfte Niklas eigentlich nicht reden. Er versuchte abzulenken: »Weiß nicht mehr genau. Aber sag mal, hast du eigentlich zurzeit ’ne Flamme?«
»Du kannst dich nicht erinnern, welche Pistole du hattest? Nun sag schon.«
Es war eine Art Ehrensache. Über gewisse Dinge quatschte man einfach nicht mit einem Außenstehenden: das
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