Mach sie fertig
klassischer Manier: Schau nicht mehr runter, zähl die Lappen unterm Tisch, während du Konversation machst. Clean.
Es dauerte eine Weile. Daniel setzte einen fragenden Blick auf.
Mahmud beugte sich vor.
»Es sind nur sechsundneunzig. Konnte nicht mehr auftreiben.«
Daniel zischte: »Du Arsch. Gürhan hat Hundert gesagt. Nimm deine ekligen Kröten zurück. Nächste Woche wollen wir Zweihundert. Und das ist kein Witz.«
Die Tüte wanderte wieder hoch auf den Tisch.
Daniel und die beiden anderen standen auf. Gingen raus.
Der Familienvater vom Nachbartisch starrte ihn an.
Mahmud jetzt allein. Erwiderte seinen Blick.
»Was zum Teufel gibt’s da zu glotzen, Blödmann.«
Abends: lümmeln auf dem Ledersofa zu Hause bei Babak. Versuchte, die Sache runterzuspielen. Babak fragte: »Sind die krank, oder was? Du machst für sie innerhalb von zwei Wochen Sechsundneunzig locker, und sie sind nicht zufrieden. Was passt ihnen eigentlich nicht an dir, Mann?«
Mahmud gab sich unbeteiligt. Grinste beinahe.
»Äh, du weißt schon. Ich will keinen Ärger kriegen. Hast du eigentlich Gras da?«
In seinem Inneren: Er wusste genau, was ihnen an ihm nicht passte. Sie waren bereit, ihn jederzeit um die Ecke zu bringen. Und sie hatten gesehen, wie er sich eingepisst hatte. Jetzt wollte er das Ganze nur noch vergessen.
Sie guckten sich einen Streifen an:
Scarface
, bestimmt schon zum zwanzigsten Mal. Mahmud wünschte, er wäre auch so verrückt wie Tony Montana. »You wanna play rough? Oookey.« Bam, bam, bam.
Babak quatschte die ganze Zeit davon, wie high sie neulich Abend gewesen waren.
»Völlig easy, wie wir diesen Homos da das Zeug abgenommen haben. Die saßen einfach nur da. Und hast du das Mädel gesehen, die war wie in Trance. Und Simon, der wird nie mehr ’n Wort mit mir wechseln.«
Mahmud wollte nach Hause.
Unterwegs. Fuhr eine Station mit der U-Bahn nach Fittja. Sein Vater rief auf dem Handy an. Mahmud klickte ihn weg. Kriegte es im Augenblick nicht geregelt zu reden. Der Vater rief noch mal an. Mahmud drückte auf lautlos. Ließ es klingeln, ohne ranzugehen. Sie würden sich ja ohnehin in einer Viertelstunde sehen.
Ihm direkt gegenüber: ein blondiertes Mädel mit superlangen Fingernägeln. Mahmud gefiel es: irgendwie nuttig. Er musste an seine Schwester denken. Hatte ihm Fünftausend geliehen. Sie trafen sich meistens nur freitagsabends bei Papa zum Essen. Seine kleine Schwester Jivan sah er höchstens einmal im Vierteljahr. Nachdem Beshar in der Moschee gewesen war.
Jamilas Typ hatte auch gesessen. In Österåker, wegen Drogen. Mahmud hatte ihn nie gemocht. Er war nicht gerade nett zu Jamila. Manche Mädels schienen sich immer zu Schweinen hingezogen zu fühlen, Jamila war auch so eine. Vor einigen Tagen war was Merkwürdiges passiert: Ein Nachbar von Jamila war offensichtlich mitten in einem Streit reingestürmt. Hatte ihren Typ fertiggemacht, als wäre er ein kleiner Schuljunge. Und Jamilas Typ ließ normalerweise nichts auf sich sitzen. Mahmud wollte wissen, was passiert war, fragte Jamila nach Details. Doch sie schüttelte nur den Kopf, wollte nicht darüber reden. »Er kann Arabisch«, sagte sie. Vielleicht gab es ja doch noch anständige Schweden?
Mahmud stand zu Hause vor der Tür. Papa öffnete, noch bevor er überhaupt geklingelt hatte. Stand er etwa da und linste durch den Spion?
Mahmud bemerkte es sofort: Irgendwas war verdammt faul. Papa mit Tränen in den Augen. Weinte. Schniefte.
»Sie dürfen dich mir niemals wegnehmen.«
Mahmud führte ihn ins Wohnzimmer. Setzte ihn aufs Sofa. Holte einen Becher Tee mit Minzeblättern. Strich ihm über die Wange. Hielt ihn umfasst. Wie er es so viele Male zuvor mit Mahmud getan hatte. Beruhigte ihn. Umarmte ihn.
Papa erzählte. Stockend. Unzusammenhängend. Bruchstückhaft.
Schließlich begriff Mahmud, was geschehen war.
Sie waren dagewesen.
Drei Typen. Papa hatte die Tür geöffnet. Sie überreichten ihm eine Plastiktüte. Sagten zugleich etwas in der Art: »Ihr Sohn hat Scheiße gebaut. Wenn er die Sache nicht wieder geraderückt, machen wir euch fertig.«
In der Tüte: ein Schweinekopf.
Und das bei seinem Vater. Einem frommen Mann.
Unmöglich einzupennen. Mahmud drehte und wand sich sechs Millionen Mal. Einen einzigen Gedanken in seinem Kopf: Er musste Wisam Jibril finden.
Er öffnete die Augen. Stellte sich ans Fenster. Sah durch die Gardinen raus auf die Straße. Erinnerte sich an seine ersten Racheaktionen als Siebenjähriger
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