Mach sie fertig
sehen, was darin steht.«
Thomas wog die Möglichkeit ab. Der Sektionsassistent wirkte arrogant, aber es war nicht sicher, ob er ihm etwas vorenthielt. Die Situation war ja tatsächlich ziemlich merkwürdig gewesen, als Adamsson hereingestürmt kam. Thomas bat ihn, den Bericht zu holen. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass die Einstichlöcher in seiner Version erwähnt waren. Nach drei Minuten kam er zurück. Ohne Bericht.
»Leider kann ich den Bericht nicht herausgeben. Soweit ich es richtig verstanden habe, sind Sie nicht mehr an den Ermittlungen beteiligt.«
Thomas dachte: Wenn der Kerl noch einmal »soweit« sagt, schlag ich ihm den Schädel ein. Dann sagte er kurz angebunden: »Holen Sie Ihren Chef, Bengt Gantz. Und zwar sofort.«
Der Sektionsassistent sah ihm in die Augen. Machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür nach drinnen.
Zehn Minuten später kam ein großgewachsener, schmaler Mann nach draußen in den Warteraum. Dasselbe Logo auf dem Kittel wie Nilsson. Thomas fragte sich, warum es so lange gedauert hatte. Entweder war der Arzt gerade damit beschäftigt gewesen, in jemandem herumzugraben, oder er ärgerte sich über seinen eklatanten Schnitzer im Obduktionsprotokoll.
Drei langsame Schritte. Als versuchte er, sich Respekt zu verschaffen.
»Hej, ich heiße Bengt Gantz.«
Bedächtige Sprechweise.
»Ich möchte ganz und gar nicht unhöflich sein, aber wir haben die Information erhalten, dass Sie in Bezug auf dieses Ermittlungsverfahren nicht dem ermittelnden Team angehören. Angesichts der aktuellen Situation erlauben es unsere Bestimmungen folglich nicht, Ihnen Zugang zu Aktenmaterial, Berichten oder Ähnlichem zu ermöglichen.«
Thomas dachte: Die Sprache des Arztfritzen ist ja noch gestelzter als die von ’nem aufgeblasenen Strafverteidiger. Er versuchte, sich zu beruhigen.
»Ich verstehe. Aber ich hab nur eine ganz simple Frage. Sie scheinen gewisse Informationen im Obduktionsbericht vergessen zu haben. Und zwar geht es um Auffälligkeiten am rechten Arm des Opfers. Erinnern Sie sich diesbezüglich vielleicht an etwas Besonderes?«
Der Arzt schien tatsächlich nachzudenken. Er schloss die Augen. Aber das, was herauskam, war völlig daneben.
»Wie ich bereits sagte, können wir diesen Fall hier leider in keiner Weise kommentieren. Es tut mir leid.«
Thomas empfand Gantz’s Versuch eines milden Lächelns als die größte Heuchelei, die er je gesehen hatte.
»Okay. Dann versuch ich es anders. Ich weiß, dass das Opfer Einstichlöcher im rechten Unterarm hatte. Mindestens drei Stück, auf dem nicht behaarten Teil des Arms, zirka anderthalb Dezimeter vom Handgelenk entfernt. Mein Kollege Hägerström kann ebenso bezeugen, dass sich die Löcher dort befanden. Ich gebe Ihnen jetzt schlicht und einfach die Chance, Ihren Obduktionsbericht zu ändern, so dass Sie nicht fürchten müssen, für ein Dienstvergehen belangt zu werden. Ein schweres, noch dazu. Was sagen Sie dazu? Mein Vorschlag ist absolut gratis.«
Es funktionierte in gewisser Weise. Allerdings nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Der Arzt atmete tief ein. Verzichtete jetzt auf seine formelle Sprache.
»Nein. Sind Sie schwer von Begriff, oder was? Mein Bericht ist völlig korrekt. Es gibt keine Löcher. Keine Anzeichen von Drogeneinwirkung. Nichts dergleichen. Und ich verwehre mich gegen die Anschuldigung, ein Dienstvergehen begangen zu haben.«
Thomas erwiderte nichts.
»Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen. Das hier nimmt langsam höchst unangenehme Formen an.«
Alle Alarmglocken schrillten. Sämtliche Anzeichen deuteten auf ein und dasselbe hin. Über zehn Jahre draußen auf der Straße hatten ihn gelehrt, die Signale zu erkennen, die darauf hinwiesen, dass etwas nicht stimmte. Zu erspüren, wenn jemand versuchte, ihm etwas vorzumachen. Die winzigen Anzeichen dafür, dass jemand log. Der flackernde Blick, Schweißausbrüche auf der Stirn, übertriebene Gefühlsausbrüche.
Gantz hatte überhaupt keine physischen Anzeichen von echter Betroffenheit aufgewiesen.
Es war völlig klar: Der Arztfritze hatte ihn angelogen.
Sobald Thomas nach Hause kam, ging er in die Garage zu seinem Cadillac. Rollte sich in seine eigene Welt. Versuchte, die Gedanken abzuschalten. Es war zu viel Scheiße.
Aber vielleicht war das schon immer so gewesen – also voller Scheiße. Nur, dass sich die gesamte Scheiße manchmal in ein und demselben Monat zusammenballte.
Die Gedanken kreisten um die Ermittlungen.
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