Machen Sie Ihren Kopf fit für die Zukunft
sein.
Unabhängig von verschiedenen interessengeleiteten Schlussfolgerungen
gibt es tatsächlich handfeste Hinweise für die genannten Unterschiede in
der Ausprägung bestimmter Gehirnfunktionen. Aber bitte nicht vergessen:
Die Unterschiede zwischen einzelnen Frauen oder einzelnen Männern sind
oft wesentlich größer als die statistisch ermittelten Unterschiede zwischen
den beiden Geschlechtern. Nach wie vor überlagert die Fähigkeit zur Umgestaltung
des Gehirns durch Lernen die hormongesteuerten Anlagen. Wer
also als Mann behauptet, er habe mit Emotionen nichts am Hut, der muss
wissen: Jeder Mann kann fühlen lernen! Und die Frau braucht sich nicht auf
ihre Unfähigkeit der räumlichen Orientierung zurückzuziehen: Auch sie
kann lernen, die Straßenkarte zu lesen.
Welche Vorstellungen über das Gehirn Sie getrost über Bord werfen können
Was wir bisher über das Gehirn und seine Funktionen an wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengetragen haben, führt bei
vielen |29| Menschen zu einer Art Enttäuschung. Sie können die biologischen Fakten über Gedanken, Emotionen und Bewusstsein nicht mit
dem vereinbaren, was sie sich unter der »Seele« vorstellen. Sie ist für sie etwas Wunderbares, Göttliches und Unsterbliches,
das unabhängig von körperlichen Vorgängen existiert.
Schon früh haben Menschen Vorstellungen vom Gehirn und seinen Eigenschaften entwickelt, und immer wurden diese Ideen von den
jeweiligen technischen Fortschritten ihrer Epoche geprägt. Ein langer Erkenntnisweg liegt also bereits hinter uns, und einige
lieb gewordene Vorstellungen haben sich bis zum heutigen Tag erhalten. Doch sie können den Blick auf neue Erkenntnisse verstellen.
Deshalb dürfen Sie einiges getrost über Bord werfen.
Bevor die Griechen ab 500 vor Christus das Gehirn als Sitz der Seele erkannten, wurde sie im ganzen antiken Mittelmeerraum
im Herzen angesiedelt. Das Gehirn diente lediglich der Kühlung der Seele, und einen »kühlen Kopf bewahren« wollen wir gelegentlich
noch heute.
Der griechische Begriff Psyche bedeutet Hauch oder Atem und wird im übertragenen Sinne mit »Seele« übersetzt. Sie ist die
universelle Lebenskraft, da sie den lebenden vom toten Menschen unterscheidet. Die Seele gilt in der Antike als der eigentliche
Mensch, der sich nach Verlassen seines Zwischenaufenthaltes im Körper nach ägyptischem Glauben wieder in den Himmel oder bei
den Griechen in die Unterwelt der Schatten begibt, wo er ein ewiges Leben führt. Der Leib-Seele-Dualismus, die Vorstellung
der Trennung von Körper und Seele hat hier ihren Ursprung. Seit Aristoteles gibt es noch ein drittes Element: den Geist. Er
hat keinen Sitz im Körper und wird nur vom Menschen, nicht vom Tier erkannt. Er besteht aus feiner, nicht sichtbarer Materie
(»feinstofflich«). In den Begriffen »Weltgeist«, »kollektives Unbewusstes«, »morphische Felder« und »Meme« lebt dieses Bild
bis heute fort.
Als die römischen Fußbodenheizungen mit warmem strömendem Wasser erfunden waren, suchte man die Seele in den flüssigkeitsgefüllten
Hohlräumen des Gehirns. Im Mittelalter trennte man durch |30| das Erhitzen bei der Destillation den »reinen« Geist (Alkohol, zum Beispiel Melissengeist) von unbrauchbaren Rückständen,
und bald schon wurde die Idee sehr populär, durch Buße, Ablasskäufe oder andere Opfer als »gereinigte« Seele in den Himmel
aufsteigen zu können. Die Erfindung mechanischer Apparate förderte die Vorstellung von Seelenkonstruktionen aus verschiedenen
Bauteilen, und im Zeitalter der Entdeckungen begann man, Gehirn(land)karten mit verschiedenen Funktionen anzulegen. Das »Dampfkesselmodell
der Psyche« stammt aus dem beginnenden Maschinenzeitalter, und immer noch hält sich die Vorstellung vom »Dampf ablassen«,
damit die Seele nicht explodiert. Heute, im Computerzeitalter, prägt, wie schon eingangs erwähnt, das Bild des Hochleistungsrechners
unsere Vorstellung vom Gehirn. Wie alle anderen Modelle auch enthält sie einiges an Wahrheit. Doch für das, was das Gehirn
wirklich ist, gibt es kein Modell. Es ist einzigartig.
Die Hirnforschung besteht heute darauf, dass die Seele, unsere Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und das Bewusstsein, an lebende
Gehirnzellen gebunden sind. Wenn diese gestorben sind, gibt es auch keine Seele mehr. Je mehr man jedoch in die Details unseres
Gehirns eindringt, desto wunderbarer wird es, und längst nicht alles ist erforscht. Besonders das
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