Machen Sie Ihren Kopf fit für die Zukunft
Peter Sloterdijk. Und das ist nicht nur ein ermutigender Satz,
sondern auch neurobiologisch gut begründbar. Denn die Lernfähigkeit des Nervensystems ist von der Natur erfunden worden, damit
wir immer besser, flexibler, zielgerichteter und sicherer durch die bunte Vielfalt unseres Lebens gehen. Lernen soll uns nützen,
uns froh und glücklich machen, statt uns zu quälen! Und genau das geschieht auch, wenn wir auf spontane Weise lernen, ohne
es richtig zu bemerken. Die meisten Formen des Lernens spielen sich tatsächlich unbewusst und eher beiläufig ab und machen
unser Leben angenehmer.
Formen des Lernens
Hier bekommen Sie einen kleinen Überblick über die beiden Grundformen des Lernens. Das beiläufige (implizite) Lernen, das
eher nebenbei, oft unbewusst und völlig mühelos stattfindet, und das bewusste (explizite) Lernen, das wir häufig als mühsam
und anstrengend erleben.
Implizites Lernen
Implizite Lernformen laufen in den folgenden unterschiedlichen Prozessen ab.
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Gewöhnung
Neue Reize aktivieren das Gehirn sehr stark. Häufige Wiederholung schwächt diese Reaktion deutlich ab. Schon Säuglinge lernen
das Wiedererkennen von bekannten Gesichtern, Tönen etc. Das erspart Ihnen viel Aufregung und Stress.
Konditionierung
Nach dem Muster »wenn …, dann …« lernt schon das Baby, indem es merkt, welche Sinnesreize welche Geschehnisse ankündigen,
zum Beispiel: wenn ich etwas Heißes anfasse, tut es weh; und wie es selber durch eigenes Verhalten seine Umgebung beeinflussen
kann: wenn ich weine, bekomme ich Zuwendung.
Nachahmung
Auf ein Lächeln antworten, hinschauen, wo ein anderer hinsieht, nachmachen und nachplappern sind Lernformen, bei denen spezielle,
erst vor circa zehn Jahren entdeckte Spiegelzellen aktiv sind. Sie erzeugen ein Abbild der Beobachtung im eigenen Gehirn,
und unwillkürlich wird ein Netzwerk in Gang gesetzt, das diese Handlung ausführt. Oder mussten Sie noch nie gähnen, wenn Sie
jemanden dabei beobachteten? Über Nachahmung wird viel soziales und praktisches Wissen erlernt. Das lebende Vorbild ist dabei
nachgewiesenermaßen wesentlich effektiver als ein Film. Denn ein physisch anwesender »Lehrer« gibt durch kleinste Hinweise
sofort eine Rückmeldung über den Lernfortschritt.
Spiel
Alle Säugetiere spielen, aber nur in einer sicheren und geschützten Umgebung. Sie üben im Probehandeln ihre motorischen und
sozialen Fertigkeiten ein. So werden vorformatierte Handlungsmuster durch Gebrauch verfestigt und auf den Ernstfall vorbereitet.
Beiläufiges Lernen
Das gesamte soziale und kulturelle Umfeld formt die neuronalen Netzwerke, in denen das Gehirn Informationen speichert. Jede
Tätigkeit und jeder Gedanke gestaltet sie ein wenig um. Wenn ein Erwachsener Zeitung liest, wenn er herausfindet, wie er einen
Nagel einschlägt, oder sich von einem Freund einen Tipp für die Blumenpflege geben lässt: Es wird beiläufig gelernt!
|35| Was diese Lernformen so erfolgreich macht, ist die Anregung des sogenannten episodischen Gedächtnisses. Der Lernstoff ist
in ein persönliches Erlebnis eingebettet. Man lernt mit allen Sinnen und einer Menge an Gefühlen. Dadurch sind die neuen Lerninhalte
vielfältig verankert und können später auf ähnliche Situationen leicht angewandt werden. Man spricht vom Erfahrungswissen,
das im Laufe des Lebens immer größer wird.
Explizites Lernen
Die Lernform, die uns eher Probleme bereitet, ist das bewusste (explizite) Lernen. Wenn wir uns absichtlich Wissen (zum Beispiel
eine Fremdsprache) und Fertigkeiten (wie Klavierspielen) aneignen sollen, reagieren wir oft mit Abneigung. Der Lernort (Schule,
Klassenraum) erscheint unattraktiv, und was, außer Stress, Lärm, Ärger oder Langeweile, ist zu erwarten? Zudem ist dieses
explizite Lernen in der Regel an einen Lehrplan gebunden, und damit entstehen oft Zeit- und Prüfungsdruck. Auf negativen Erfahrungen
dieser Art beruhen unsere ganzen Vorbehalte dem Lernen gegenüber.
Implizites und explizites Lernen vollziehen sich auf der Ebene der Nervenzellen jedoch nach demselben Muster. Glücklicherweise
wissen wir inzwischen schon eine ganze Menge darüber, was sich dabei abspielt. Sehen wir uns also die einzelnen Schritte einmal
genauer an und erfahren so, wie man durch geschicktes Vorgehen den Druck beim Lernen reduzieren und den Spaß vergrößern kann.
Jeder kann besser und leichter lernen. Die Lernfähigkeit lässt sich wie die
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