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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Stunden wissen, was ich in vielen Monaten nicht in Erfahrung bringen konnte, entgegnete ihm der Botschafter des Herzogs von Savoyen. Gerade in dieser Nichterkennbarkeit oder besser: Uneindeutigkeit aber bestand das Wesen Maximilians. Bei all seinen Charakterdiagnosen schickte Machiavelli daher eine ernste Warnung voraus:
Was ich nicht weiß, muss ich eben raten. Ich sage das nicht, weil mir der Mut oder das Zutrauen fehlt, Ihren Auftrag auszuführen, sondern um die Schwierigkeit dieser Mission zu unterstreichen. Dieser nämlich kann niemand gerecht werden außer durch Zufall – es sei denn, er ist ein Prophet.[ 78 ]
    Die unmögliche Mission bestand darin vorherzusehen, was Maximilian beabsichtigte: Würde er nach Rom ziehen oder nach Venedig, oder zuerst nach Rom und dann nach Venedig – oder aber nichts von beidem tun? Mit Venedig hatte der Habsburger Streit, in Rom gelüstete es ihn nach der Kaiserkrone. Wofür er sich entscheiden würde, das – so Machiavelli mit dem üblichen Hinweis auf die von ihm konsultierten «gut informierten Kreise» – wussten selbst Maximilans engste Vertraute nicht, weil es der Herrscher offenbar selbst nicht wusste. Sogar eine scheinbar viel einfachere Frage musste daher unbeantwortet bleiben: «So kann man nicht einmal beurteilen, ob er stark oder schwach ist.»[ 79 ]
    Die Antwort, die sich Machiavelli, dem Menschenbeobachter, allmählich erschloss, lautete: Der Kaiser ist beides zugleich:
Dass der Kaiser viele und gute Soldaten hat, daran zweifelt niemand. Zweifelhaft hingegen ist, wie er sie zusammenhalten kann. Denn bei der Fahne halten kann er sie nur durch die Kraft des Geldes, doch davon hat er nie genug, wenn ihm andere nicht aushelfen, was unsicher bleibt. Da er zudem mit seinem Geld viel zu großzügig umgeht, türmt er Schwierigkeit auf Schwierigkeit … Freigebigkeit aber nützt nichts, wenn sie nichts einbringt. Was seine Regierung betrifft, so kann man nicht leugnen, dass er pflichtbewusst, ein ausgezeichneter Militärbefehlshaber, unermüdlich und reich an Erfahrung ist. Auf diese Weise genießt er mehr Ansehen als alle seine Vorgänger seit mehr als hundert Jahren. Doch zugleich ist er ein allzu gutmütiger und menschlicher, daher auch leichtgläubiger und beeinflussbarer Herr.[ 80 ]
    Der Rest der Mission war Feilschen und Mutmaßen. So verschwenderisch Maximilian mit seinem Geld umging, so unnachsichtig verlangte er es Florenz, der vermeintlich Goldenen Stadt, ab. Machiavellis Instruktionen ließen in dieser Hinsicht an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Der Spielraum der beiden Gesandten lag zwischen 30.000 und 50.000 Dukaten: So viel war die Stadtregierung zu zahlen bereit, falls Maximilian nach Rom zog. Wie gute Kaufleute sollten Vettori und Machiavelli mit dem niedrigsten Gebot beginnen und dieses dann bei Bedarf steigern. Dafür wollte die Republik Florenz ihre gesamten Besitz- und Hoheitsrechte, also ihre staatliche Souveränität, bestätigt haben. Und das war noch nicht alles: Maximilian sollte auf dem Weg zur Kaiserkrönung in Rom einen kleinen Abstecher nach Pisa machen und die rebellische Stadt erobern!
    Von dieser Forderung durften die beiden Geschäftsträger jedoch abrücken, wenn sie sich als unrealistisch erwies. Das zeigte sich schnell: Maximilian war nicht bereit, für die Florentiner die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Und die gebotene Summe war in seinen Augen viel zu niedrig. So musste Machiavelli die vertrauten Klagegesänge anstimmen, die schon Ludwig XII. seinerzeit unbeeindruckt gelassen hatten: Florenz, die verarmte, überschuldete, quasi ruinierte Stadt könne unmöglich mehr bezahlen! Nach langem Hin und Her offerierten die beiden Gesandten schließlich das Maximum: 50.000 Dukaten. Lachhaft, so Maximilian, mindestens das Doppelte musste es sein. Mit 100.000 Dukaten wäre der Kaiser wohl zufrieden. Doch was Florenz für diesen Betrag bekäme, erschien Machiavelli äußerst ungewiss. Es fiel ihm daher schwer, der Republik einen konkreten Ratschlag zu erteilen. Auf keinen Fall, so schrieb er als guter Patriot an seine Auftraggeber, wolle er am Ruin seiner Heimatstadt schuld sein!
    Über diese zähen und unergiebigen Verhandlungen war es Frühling geworden. Doch weder Vettori noch Machiavelli konnten sich über die schöne Jahreszeit freuen. Beide waren mit den Nerven am Ende und wurden krank. Machiavelli klagte über Schwierigkeiten beim Urinieren und fürchtete einen Blasenstein, die Krankheit, an der man damals in mittleren Jahren am

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