Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Machthaber im Norden des Kirchenstaats gestürzt werden, so viel war klar. Doch würde es damit sein Bewenden haben?
Wenn ihm die Rückeroberung von Bologna gelingt, dann wird er keinerlei Zeit verlieren, sondern eine größere Sache in Angriff nehmen. Und es ist davon auszugehen, dass Italien sich dann vor dem, der es sich einverleiben wollte, in Sicherheit bringen wird oder dies niemals mehr schaffen wird.[ 76 ]
Das klang in den Ohren italienischer Patrioten wie Machiavelli gut: Raus mit Spaniern und Franzosen, die unser Land verwüsten! Die Frage war nur, mit welchen Methoden der Papst dieses noble Unterfangen in Angriff nehmen wollte. Das wiederum hing von seinem Charakter ab, den Machiavelli am 25. September den Dieci di Balìa wie folgt beschrieb:
Wer sein Wesen gut kennt, weiß, dass er zur Heftigkeit und Überstürzung neigt und dass diese Überstürzung, Bologna zurückzuerobern, die am wenigsten gefährliche Überstürzung sein wird, zu der er neigen wird.[ 77 ]
Dieser Papst wird keine Ruhe geben. Wenn ihm sein erstes Vorhaben misslingt, wird er sich wahllos in eine zweite Unternehmung stürzen. Gegenüber den «Tyrannen» des Kirchenstaats mochte er mit dieser Verbissenheit Erfolg haben. Großmächte wie Frankreich oder Spanien würden sich diesen herrischen Ton jedoch nicht gefallen lassen. Machiavelli ahnte nicht, wie prophetisch seine Worte waren.
Das Unternehmen Julius’ II. gegen Bologna gelang, Giovanni Bentivoglio floh, der Papst zog auch in diese Stadt als Triumphator ein. Machiavellis letztes Schreiben von dieser Mission wurde am 26. Oktober 1506 in Imola ausgestellt.
Bei Kaiser Maximilian
Nach der Eroberung Bolognas durfte sich der Chef der Zweiten Kanzlei gut ein Jahr lang seinen Amtsgeschäften in Florenz widmen. Nachrichten zu seinen privaten Geschäften und zum Familienleben fließen wie immer spärlich. Dass die Familie Machiavelli in dieser Zeit weiter wuchs, lässt sich überwiegend aus der Korrespondenz erschließen. Ein Jahr nach dem Erstgeborenen Bernardo brachte Marietta Ende Oktober 1504 einen zweiten Knaben namens Lodovico zur Welt; drei weitere männliche Nachkommen namens Guido, Piero und Totto sowie die Tochter Bartolommea, genannt La Baccina, folgten bis Anfang der 1520er Jahre nach. Von allen Kindern war Guido ohne Frage der Liebling des Vaters. Er war von sanfter Wesensart und den Studien zugewandt, während Lodovico zu Gewalttätigkeiten neigte und mit der Justiz in Konflikt geriet. Guido beschloss seine Tage als braver Pfarrer eines Dorfes im Florentiner Landgebiet, während der allzu aggressive Lodovico als Kaufmann in der Levante auf keinen grünen Zweig kam. Beruflicher Erfolg und sozialer Aufstieg waren keinem männlichen Nachkommen Niccolòs beschieden. Dafür heiratete seine Tochter Bartolommea in die angesehene Familie Ricci ein. Einer ihrer Enkel verschrieb sich der Aufgabe, den Nachlass des inzwischen berühmten beziehungsweise berüchtigten Urgroßvaters zu ordnen und dem europäischen Publikum zugänglich zu machen – soweit man der Nachwelt diese Texte religiös, moralisch und politisch zumuten konnte.
Wie im Hause Machiavelli gewirtschaftet wurde, lässt sich aus einigen Briefen ermitteln. Der bescheidene Landbesitz der Familie warf Brennholz, Essig und Wein ab, was zumindest teilweise eine kostengünstige Selbstversorgung erlaubte. Doch das war nicht der einzige Ertrag, von dem die Verwalter zu berichten wussten. Einer von ihnen brachte einen jungen Bären in die Villa, wo dieser in Machiavellis Auftrag aufgezogen wurde und prächtig gedieh. Vornehme Herrschaften wie weiland Lorenzo de’ Medici hielten sich Raubtier-Menagerien, um ihre Besucher mit den exotischen Bestien zu beeindrucken. Es ist gut möglich, dass Machiavelli dieses Imponiergehabe mit seinem Meister Petz parodierte.
Ende Juli 1507 schließlich wurde dem Chef der Zweiten Kanzlei zur vollständigen Genesung gratuliert. Das Unwohlsein könnte von einem politischen Misserfolg mit verursacht worden sein. Am 19. Juni war Machiavelli zum Geschäftsträger der Republik beim römischen Kaiser Maximilian gewählt worden, doch wurde diese Ernennung schon wenige Tage später rückgängig gemacht. Offiziell wurde diese Zurückstellung des Zweiten Kanzlers damit begründet, dass der Florentiner Vertreter beim Reichsoberhaupt aus dem Kreis der primi stammen müsse: um für die Republik an einem so illustren Hof Ehre einzulegen, doch auch, um sich selbst durch diese Mission Ehre erwerben zu
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