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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Südtirol; das war ein zeit- und geldraubender Umweg. Doch Machiavelli machte aus der Not eine Tugend. Alle diese Stationen nutzte der Diplomat der Republik dazu, um Erkundigungen über Land und Leute einzuholen. Dabei interessierte ihn besonders der politische und militärische Zustand der Eidgenossenschaft, die in den letzten drei Jahrzehnten durch ihre sensationellen Siege über den Herzog von Burgund und Maximilian von sich reden gemacht hatte. Auch das war ein Faktor, den Vettori bei seinem einseitigen Kalkül zugunsten des Kaisers außer Acht gelassen hatte. Am 11. Januar 1508 traf Machiavelli schließlich verspätet in Bozen ein. Von dort zog er zusammen mit Vettori und dem kaiserlichen Hof zum Reichstag in Konstanz weiter.
    Trotz aller politischen Ränkespiele, die die Ernennung der beiden Florentiner Geschäftsträger begleitet hatte, kooperierten Vettori und Machiavelli ausgezeichnet. Ja, aus ihrer Zusammenarbeit erwuchs eine lebenslange Freundschaft, die auch dann noch Bestand hatte, als Machiavelli nach 1512 in Ungnade fiel und Vettori Schritt für Schritt zu einem der einflussreichsten Ratgeber der Medici aufstieg. Freundschaft bedeutete im Florenz der Zeit, dass man sich wechselseitig nützliche Dienste erwies. Solche «Freunde» konnten sich unterstützen und zugleich verachten. Im Falle Machiavellis und Vettoris kamen ohne Frage Respekt und persönliche Wertschätzung hinzu. Doch hatte das soziale Ranggefälle zwischen den beiden zur Folge, dass Machiavelli seinem Freund Vettori später als Bittsteller gegenübertreten musste – also in der Rolle, die er am meisten hasste.
    Vettori akzeptierte auf der gemeinsamen Mission bei Maximilian klaglos die überlegene Erfahrung Machiavellis und überließ diesem die Korrespondenz mit den Dieci di Balìa. Doch bei aller Bewunderung für Machiavellis Scharfsinn ordnete sich der Patrizier seinem Sekretär intellektuell nicht unter. Vettori entwickelte eine eigene Sicht der Dinge und korrigierte mit seinem nüchternen Pragmatismus und seiner desillusionierten Skepsis die manchmal allzu kühnen Theorien des Zweiten Kanzlers. So darf Machiavellis Korrespondenz aus Deutschland zwar als Ausdruck seiner eigenen Einschätzung gelten, doch war diese ohne Frage durch die Diskussionen mit Vettori gefiltert und geläutert.
    Was hatten die beiden Florentiner aus der exotischen Fremde zu berichten? Über den jeweils anderen sagten sie nur Gutes: Vettori, so Machiavellis erstes Schreiben vom 17. Januar 1508, werde bei Hofe hoch geschätzt; die Ehre seines Genossen, die durch dessen verzerrte Berichte gelitten hatte, war damit wiederhergestellt. Dieser war umso mehr entschuldigt, als Informationen über die Eidgenossenschaft, den Stachel im Fleisch Maximilians, schwer zu beschaffen waren. Machiavelli berichtete, er habe bei seiner Übernachtung in Freiburg in Uechtland mit einem hochrangigen Politiker und Militär gesprochen, der auch in italienischer Politik sehr beschlagen sei. Seine Informationen aus erster Hand zum Zustand der Schweiz lauteten wie folgt: Diese bestehe aus zwölf weitgehend selbständigen Kantonen, die sich regelmäßig zu gemeinsamer Beschlussfassung träfen und insgesamt sehr geschlossen aufträten. Allerdings seien sie momentan durch französisches Geld bestochen, was das Klima im Bund vergiftet habe. «Zwei weitere Arten Schweizer» gebe es in Graubünden und im Wallis, diese seien der eigentlichen Eidgenossenschaft eng verbunden.
    Das war viel Landeskunde in einem diplomatischen Bericht; dass die Auftraggeber in Florenz das alles überhaupt wissen wollten, darf bezweifelt werden. Doch dieses Wissen über Land und Leute hatte in Machiavellis Augen viel mit praktischer Politik zu tun. Zum einen saßen die Eidgenossen Maximilian im Nacken; das war gut zu wissen, um dessen Forderungen auf ein realistisches Maß zurückzuschrauben. Zum anderen waren sie mit Frankreich verbündet, was Ludwig XII. ein klares Übergewicht in der europäischen Politik verlieh. Vor allem aber hatten die Eidgenossen seit langem etwas in höchster Vollendung, was die Florentiner unter Machiavellis Ideenführung gerade erst auszuprobieren begannen: eine schlagkräftige, kampferprobte und siegreiche Miliz!
    Doch Machiavellis eigentliche Aufgabe war es, den Florentinern Maximilian, den unsteten Kaiser, zu erklären. Auch hierzu zog der umtriebige Gesandte die verschiedensten Erkundigungen ein, und zwar so intensiv, dass seine Wissbegierde auch anderen auffiel: Du willst in zwei

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