Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Wink mit dem Zaunpfahl: Ich kann euch den Aufenthalt noch viel ungemütlicher machen. Doch auch der Kardinal war alles andere als ehrlich, denn es stand nicht in seinem Belieben, eine Verlegung des conciliabulums zu genehmigen, wie auch sein Gegenüber genau wusste.
Wenig später wurde Machiavelli mit militärischen Aufgaben betreut. Er sollte im Florentiner Untertanengebiet sowie in der päpstlichen Romagna Soldaten für die Republik anwerben. Kurz darauf hatte er die Zitadelle von Pisa mit einer Garnison zu sichern. Die Republik Florenz bereitete sich auf einen Krieg mit dem Papst vor. Doch mit diesen Rüstungen waren beileibe nicht alle Florentiner einverstanden. Die Frage, wie man sich gegenüber Julius II. verhalten sollte, spaltete die Bürgerschaft tiefer denn je. Immerhin signalisierte Julius II. Entgegenkommen, wenn Florenz die Allianz mit dem «schismatischen» König aufkündigte. Zu diesem Zweck hob er im November 1511 sogar das Interdikt über Florenz kurzfristig wieder auf. Zur selben Zeit waren die zwei Dutzend Prälaten, die in Pisa das «Konzil» bestritten, die dortigen Misshelligkeiten leid und verlegten ihre Versammlung nach Mailand. Damit war die schlimmste Provokation behoben; ein Ausgleich mit dem Papst schien in greifbare Nähe gerückt.
Für ein Übereinkommen mit Julius II. sprach auch der steigende Einfluss von Kardinal Giovanni de’ Medici. Dieser nämlich präsentierte sich immer geschickter als lockende Alternative zum gegenwärtigen politischen Hader in Florenz. Sein Palast in Rom war seit Beginn des Konflikts immer mehr zur Anlaufstelle der Florentiner geworden, die trotz des päpstlichen Bannstrahls versuchten, Pfründen zu erhalten oder auch nur ihre Geschäfte ungestört abzuwickeln. In allen Fällen hatte die Vermittlung des Medici-Kardinals wahre Wunder bewirkt – unter tätiger Mithilfe Julius’ II., der den verstockten Regierenden am Arno auf diese Weise zeigen wollte, was ihnen durch ihre verfehlte Politik verloren ging. In welch hoher Gunst Giovanni de’ Medici beim Papst stand, zeigte sich daran, dass er zum Legaten für Bologna und die Romagna ernannt wurde. Das waren französisch beherrschte Gebiete, die mit Waffengewalt zurückerobert werden mussten.
Auf Messers Schneide
Piero Soderinis Festhalten am französischen Bündnis verlor durch die zunehmende Beliebtheit Giovanni de’ Medicis bei den führenden Familien von Florenz allmählich an Zustimmung, blieb jedoch in den entscheidenden Abstimmungen des Großen Rats mehrheitsfähig. Um eine weitere Polarisierung zu verhindern, ließ sich die Signoria Ende Dezember 1511 auf Sondierungen in Rom ein. Ihr Botschafter Antonio Strozzi sollte erkunden, unter welchen Bedingungen eine Versöhnung mit dem Papst möglich sei. Zugleich erhielt er das Mandat, die Wiederaufnahme der Republik in den Schoß der Kirche einzuleiten, falls diese Prozedur ohne demütigende Riten zu bewerkstelligen sei. Die Republik war sogar zu einer Entschuldigung bereit, wenn sie dabei nicht völlig das Gesicht verlor. Zugleich fügte die Stadtregierung ihre Sicht der Ereignisse bei, die zu diesem unseligen Konflikt geführt hätten. Der Tenor dieses Memorandums lautete: Wir sind gegen unseren Willen in diese Konfrontation hineingeschlittert; Frankreich und der Kaiser haben entschieden, wir mussten gehorchen. Darüber hinaus sollte Strozzi das Messer in den Wunden des Papstes kräftig rühren. Er habe schließlich den Krieg um Bologna verloren. Dadurch stünden die Franzosen direkt vor der Haustür von Florenz, und der Republik bleibe gar nichts anderes übrig, als Ludwig XII. zu Willen zu sein.
Wir sind klein, willenlos und unschuldig: Sich so vor Julius II. zu demütigen, war äußerst unklug, es sei denn, man leerte diesen bitteren Becher bis zur Neige. Strozzi hatte sich mit dem Papst über alle Friedensbedingungen bis auf eine einzige, scheinbar nebensächliche geeinigt: Die Republik sollte eine Steuer aufheben, die sie dem Klerus zur Kriegsfinanzierung auferlegt hatte. Doch dazu war die Mehrheit des Großen Rates nicht bereit. Warum sollten immer nur die kleinen Leute und nicht die reichen Prälaten zahlen? So wurde auch diese Gelegenheit, den bedrohlichen Konflikt zu entschärfen, versäumt.
Die Befürworter eines harten Kurses sahen sich kurz darauf bestätigt: Im Februar 1512 eroberte das französische Heer die venezianische Stadt Brescia. Kurz zuvor hatte Florenz den achtundzwanzigjährigen Patrizier Francesco Guicciardini als
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