Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
mit dem Konzil von Pisa einlasse, nämlich auf einen gottgefälligen Akt zum Nutzen der ganzen Christenheit! Auch wenn sich die Kirchenversammlung zögerlich anlasse, werde sie bald zu einem durchschlagenden Erfolg werden und Florenz den verdienten Ruhm eintragen! Von Umkehr oder gar Abbruch der Veranstaltung könne daher keine Rede sein.
Die Wirklichkeit sah anders aus. Der zornige Julius II. verhängte das Interdikt über Florenz, womit der Gottesdienst am Arno zum Erliegen kam, zumindest in der Theorie. Immerhin gelang es den Behörden, einen Teil der Priesterschaft bei der Stange zu halten und in den sechs größten Kirchen der Stadt weiterhin die Messe lesen zu lassen. Doch das schützte die florentinischen Geschäftsleute nicht vor der Beschlagnahmung ihrer Waren, wo Julius dieser habhaft werden konnte; in Anbetracht der vitalen Geschäftsbeziehungen mit Rom war das ein schwerer Schlag. Zudem war die Verunsicherung unter den Gläubigen groß: Konnten sie überhaupt ins Himmelreich gelangen, solange Julius II., der Nachfolger Petri, ihnen den Einlass verweigerte?
Währenddessen traf Machiavelli in Blois ein, wo er zusammen mit dem dort residierenden florentinischen Botschafter Roberto Acciaiuoli bei Ludwig XII. vorstellig wurde. Dieser erging sich wie üblich in Versprechungen: Florenz habe nichts zu befürchten, denn Frankreich werde seinen Verbündeten mit seiner starken Armee beschützen! Machiavelli musste ihn diskret darauf hinweisen, dass die Republik auf keinen Fall französische Truppen auf ihrem Herrschaftsgebiet zu sehen wünsche, um den Papst nicht zusätzlich zu reizen. Um diesen Affront abzumildern, mussten die beiden Gesandten erneut die guten Dienste ihrer Auftraggeber anbieten. Florenz sei jederzeit bereit, ein Abkommen zwischen dem allerchristlichsten König und Julius II. zu vermitteln. Dann wäre nicht nur der Streit, sondern auch das Konzil erledigt. Wie eine Stadt, die dem Interdikt unterworfen war, einen exkommunizierten Monarchen mit dem Papst versöhnen sollte, war allerdings schwer nachvollziehbar. Zudem bekundete König Ludwig XII. keinerlei Interesse an einem solchen Kompromiss:
Doch darauf entgegnete er: Wenn wir das Konzil aufheben würden, wäre der Papst keineswegs zu einem Frieden bereit. Darauf entgegneten wir, dass diese Schlussfolgerung null und nicht sei. Das Konzil würde – worauf alle Anzeichen hinwiesen – Krieg zur Folge haben. Mit dem Konzil von Pisa im Hintergrund werde sich der Papst in Kriegsvorbereitungen stürzen, statt um ein Abkommen zu bitten. Und zum zweiten Teil, der die Verlegung des Konzilsortes betraf, antwortete er schnell und mit aller Entschiedenheit: Auch das ist vollkommen unmöglich, und fügte hinzu: Ich sehe nicht, wie sich das machen lassen soll.[ 22 ]
Die Begründung für diese Ablehnung blieb der König nicht schuldig: Er habe nun einmal Pisa auserkoren und bekannt gemacht. Ohne Verlust an Ansehen lasse sich diese Verlautbarung nicht zurücknehmen. Allenfalls könne man über eine Verschiebung des Konzils um zwei bis drei Monate reden. Doch auch hier mochte sich Ludwig XII. nicht festlegen. Das müsse zuvor mit Kaiser Maximilian, in dessen Namen das Konzil gleichfalls einberufen worden sei, und mit den betroffenen Kardinälen diskutiert werden. Über mehr ließ der König nicht mit sich reden. Damit war Machiavellis Mission, kaum dass sie begonnen hatte, schon erledigt. Doch wie immer waren die konkreten Resultate nur der eine Zweck der Reise. Darüber hinaus sollte der Gesandte der Republik auch diesmal Informationen liefern, mit denen sich eine Reihe vitaler Fragen beantworten ließ: Was würde Ludwig XII. je nachdem, wie sich die Lage entwickelte, tun? Was hatte Florenz von ihm zu erwarten, wenn der Streit weiter eskalierte? Und, Frage aller Fragen, was sollte Florenz selbst tun, wenn sich die Krise verschärfte?
Die meisten Berichte von den frustrierenden Gesprächen mit Ludwig XII. und dessen Ministern unterzeichnete zwar Acciauoli, doch verfasst hat sie Machiavelli. Von unterschiedlichen Meinungen der beiden Gesandten war keine Rede, so dass die Schreiben die gemeinsame Sicht der Dinge wiedergaben. Am 2. Oktober 1511 lautete diese wie folgt:
Ich muss unterstreichen, dass die Haltung des Königs auf das Entschiedenste zum Frieden neigt: Er sehnt nichts auf der Welt so sehr herbei wie diesen Frieden. Und der Friede ist ihm wichtiger als alles auf der Welt, einschließlich des Konzils … Doch da er erkennt, dass sich der Papst
Weitere Kostenlose Bücher