Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Fernandez de Cordoba, der Große Kapitän, war nach seinen Siegen über die Franzosen zuerst zum Vizekönig Neapels ernannt, doch drei Jahre später von König Ferdinand von Aragon abberufen worden. Für Machiavelli war das ein exemplarischer Akt königlicher Undankbarkeit. Das sahen schon seine Zeitgenossen anders. Denn Consalvo – so Machiavellis erster kritischer Kommentator Francesco Guicciardini – erhielt zwar nicht die Würde des Vizekönigs auf Dauer, wohl aber eine Fülle von Fürsten- und Herzogtümern, die seine Nachkommen zu den reichsten Feudalherren Süditaliens machten. Undankbarkeit, so Guicciardini, sah anders aus. Fürstliche Dankbarkeit, gepaart mit gesundem Misstrauen: So lautete die Formel, nach der Ferdinand handelte. Consalvo wurde von seinen Soldaten vergöttert und durch seine Versetzung der Versuchung enthoben, sich selbst auf den Schild heben zu lassen.
Für Machiavelli, den abgesetzten Zweiten Kanzler, aber war Undankbarkeit der politischen Welten Lohn:
Und du wirst sehen, dass die Reformer von Staaten
und Verleiher von Königreichen
immer mit Verbannung und Tod belohnt werden.[ 51 ]
Machiavelli hatte zwar nicht die Republik Florenz neu gegründet, doch deren neue Miliz aus dem Boden gestampft. So musste auch ihn die Missgunst seiner Mitbürger treffen:
So erntet, wer sich im Dienst verzehrt,
von diesen guten Diensten am Staat
elendes Leben und gewaltsamen Tod.[ 52 ]
Danach blieb nur noch die Frage zu beantworten, welche Schlussfolgerung man aus der Herrschaft der Undankbarkeit ziehen sollte:
Da die Undankbarkeit nicht stirbt,
muss jeder die Höfe und die Staaten fliehen,
denn es gibt keinen Weg, der den Menschen schneller dazu führt
zu beweinen, dass er bekam, was er wollte.[ 53 ]
Wer Erfolg hat, ist durch Neid und Missgunst seiner Mitbürger dem Untergang geweiht. Wenn das stimmte, musste Machiavelli dankbar für seine Absetzung sein. Doch der Rückzug aus der Politik war nicht sein letztes Wort in dieser Sache. Gewidmet hatte er das Gedicht «Über die Undankbarkeit» Giovanni Folchi, der als Gegner der Medici bekannt war. Wie Machiavelli bezahlte er diese Opposition zwar nicht mit dem Leben, wohl aber mit einer elenden Existenz.
Folter und Isolation
Während Machiavelli seine Rechenschaftsbriefe und die drei bitteren Poeme verfasste, schritt die politische Entwicklung rasant voran. Als die Medici im September 1512 nach Florenz zurückkehrten, boten sich zwei politische Alternativen. Die erste Option, zu der ihre gemäßigten Anhänger wie Jacopo Salviati und Filippo Nerli rieten, bestand darin, langsam und vorsichtig vorzugehen. Das hieß, die bestehenden Institutionen der Republik nicht anzutasten, sondern möglichst viele verlässliche Anhänger in Schlüsselpositionen zu platzieren und auf diese Weise den zurückgewonnenen Einfluss zu sichern. Die zweite Vorgehensweise, zu der vor allem die jüngeren Patrizier rieten, war radikaler: Zuerst sollte der Große Rat, das politische Heiligtum des governo largo, abgeschafft und danach eine konsequente Säuberung der politischen Klasse vorgenommen werden. So würden die Führungsämter denjenigen vorbehalten bleiben, die in den vorangegangenen achtzehn Jahren in unerschütterlicher Treue zu den Medici gestanden hatten.
Kardinal Giovanni de’ Medici neigte zunächst der moderaten Lösung zu. Doch wurde der Druck der Hardliner schon nach wenigen Tagen unwiderstehlich, wie Machiavelli in seinem Brief an die unbekannte adelige Dame nüchtern feststellte: Die Patrizier wollten das Florenz Lorenzos des Prächtigen zurück. Damit waren die Tage des Großen Rates gezählt und die Tage der Handverlesung zurückgekehrt. Nur noch erprobte Parteigänger der Medici hatten jetzt die Chance, für die Führungspositionen ausgelost zu werden. Allerdings zeigte sich rasch, dass sich die Zeit nicht einfach zurückdrehen ließ. Unter Lorenzo hatte sich die Gefolgschaft der Medici zu einem repräsentativen Querschnitt der primi erweitert. Davon konnte zwanzig Jahre später keine Rede mehr sein. Der Kardinal, sein Bruder Giuliano und sein Neffe Giulio de’ Medici, der ebenfalls die kirchliche Laufbahn eingeschlagen hatte, konnten nur auf einen schmalen Kreis von Kandidaten zurückgreifen. Zu viele Patrizier wurden als unsicher eingestuft, da sie oder ihre Väter sich unter dem Regiment Soderinis allzu staatstragend gebärdet hatten.
Was die «prächtigen Medici» von Machiavelli hielten, zeigte seine Entfernung aus dem Amt mit aller Deutlichkeit.
Weitere Kostenlose Bücher