Machine Gun Preacher -: Die wahre Geschichte eines Predigers, der bis zum Äußersten geht, um Kinder zu retten. (German Edition)
war es auch, was mich bei dieser Begegnung besonders tief berührte. Ich setzte mich und neigte den Kopf zu einem schnellen stummen Tischgebet. John bemerkte das und sagte auf Arabisch: „Der Pastor soll das Tischgebet sprechen.“ Alle im Raum – vielleicht zwanzig Personen – hielten im Essen inne, und ich sprach das Tischgebet für die ganze Gruppe. Natürlich befanden sich auch viele Nichtchristen darunter, doch das war nicht wichtig.
Die Araber waren an ihren Ghutra (Kopfbedeckungen) und den Thobe (langen Gewändern) zu erkennen. An den Gesprächen nahmen zwischen sechs bis fünfundzwanzig Personen teil, je nach Art des Dialogs. Manchmal trafen wir uns draußen bei den beiden Swimmingpools auf einer großen Terrasse, die mit Mahagonigartenmöbeln mit grünen Auflagen und passenden Sonnenschirmen ausgestattet war. Bei anderen Gelegenheiten saßen wir im Garten in einem Meer von Grünpflanzen und Blumen. Das war ja alles schön und gut, doch je länger ich die Gespräche verfolgte, desto deutlicher wurde mir, dass nicht die humanitären Belange im Mittelpunkt standen. Es ging nur ums Öl. Am Ende des Tages sollte nun endlich eine Einigung über die Aufteilung der Erträge aus der Ölförderung erzielt werden. Aber für mich war bei den Friedensgesprächen viel wichtiger, die Frage zu klären: Wie können wir verhindern, dass jeden Tag Frauen und Kinder und andere Zivilpersonen getötet werden?
Ich lehnte mich zurück, hörte zu und hielt den Mund. Wir saßen an einem Tisch auf der Veranda, und wieder ging es nur um das Öl.
Ich dachte: Reden wir doch über die Kinder. Wann sind endlich die Kinder das Thema?
Das Öl ist eine wichtige Einnahmequelle für den Sudan. Öl bringt mittlerweile 92 Prozent der Exporterträge des Sudan. Doch für die Industrie gibt es nach wie vor keine klar definierten Regeln. Darum hat die sudanesische Regierung auch keine Möglichkeiten, die wenigen existierenden Vorschriften durchzusetzen. Die Ölfirmen haben mehr ihren Profit im Blick, die Bevölkerung und das Land interessieren sie nicht, und da für sie keinerlei Rechenschaftspflicht besteht, werden sowohl das Land als auch die Bevölkerung ausgebeutet. Die riesigen Gewinne aus dem Ölgeschäft teilen sich eine kleine Gruppe von Sudanesen aus dem Norden.
Obwohl der Südsudan vereinbarungsgemäß die Hälfte des 5-Milliarden-Dollar-Gewinns aus den über vierhunderttausend Barrel, die täglich gefördert werden, bekommen sollte, war allgemein bekannt, dass die sudanesische Regierung die Produktionszahlen manipulierte. Und in der Zwischenzeit machten die Ölfirmen munter weiter, kontaminierten den Erdboden und das Grundwasser, und die Regierung vertrieb die Eingeborenen aus ihren Häusern, um die Ölförderung noch mehr zu steigern (Aus Sudan – Whose Oil? a Newsletter von IKV Pax Christi, April 2008).
Öl war das große Thema, das sie beschäftigte, und Öl war das Thema, über das gestritten wurde.
Bei solchen Gesprächen in Afrika wird jedem Teilnehmer eine Redezeit eingeräumt, und man wartet geduldig, bis man an der Reihe ist. Niemand wurde unterbrochen. Geduld ist eine Eigenschaft, die mir fehlt, und in Afrika wird das besonders deutlich. Doch irgendwann hatte ich dann endlich das Wort. Ich war zwar kein offizieller Teilnehmer dieser Gespräche, aber ich war dabei als John Garangs Gast, und ich hatte etwas zu sagen.
Möglicherweise waren meine Bemerkungen anfangs ein wenig zu sarkastisch. Ich begann mit den Worten: „Ich dachte, dies seien Friedensgespräche. Aber ich höre nichts anderes als Öl. Hier geht es nur ums Öl. Wir sitzen jetzt schon mehrere Stunden zusammen, und bisher gab es noch nicht einen Vorschlag, wie diese Überfälle beendet werden könnten. Und genau das möchte ich wissen. Ich bin hier, um zu erfahren, wie wir Frieden schaffen können, um diese Kinder zu retten.“
Einige Leute starrten mich an. Wer bist du denn? Der amerikanische Staatssekretär Colin Powell hatte einige Vertreter zu den Gesprächen geschickt, und ich merkte, dass sie sich über mich ärgerten. Einer von ihnen fragte einen anderen: „Wer um Himmels willen ist das denn?“
Die Reaktion auf meine Frage war positive Zustimmung von Personen, die mich kannten oder von mir gehört hatten und mir zutrauten, dass ich wusste, wovon ich redete. Alle am Tisch schwiegen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass auch andere insgeheim meiner Meinung waren. Aus politischen Gründen behielten sie ihre Ansichten aber für sich.
Die
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