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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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sagen: «Du bist aber eine lausige Mutter», nur weil sie impft oder Bananenbrei füttert. Vielmehr heißt es: «Wow, du nimmst das aber wirklich locker», oder: «Ich wünschte, ich wäre so sorglos.»
    An diesem wunderbaren Sommertag hieß es: «Ich will halt wirklich keine Allergien riskieren. Nur wer die Breisorten nacheinander einführt, erkennt sofort, was das Baby allenfalls nicht verträgt.»
    Entweder-oder, dachte ich. Entweder ich habe tatsächlich keine Ahnung und habe meinen armen heuschnupfigen Töchtern aus Dummheit Kraut und Rüben durcheinander gefüttert. Oder aber ich schere mich einen Dreck um den wissenschaftlichen Stand der Breifütterung und tat es aus bloßer Fahrlässigkeit. Ich war gefangen im binären Code der Mutterschaft. Deshalb sprang ich ohne zu antworten ins Wasser und tauchte mit den Kindern nach Steinen. Schwarze und weiße, graue und beige, stumpfe und spitze, runde und eckige.
Frau bleiben
    Auf ein Gläschen Me-Time (N. A.)
    Ein paar Straßen vom Strandhaus entfernt, das wir in den Ferien gemietet hatten, gab es eine kleine Apero-Bar, in der man vorzügliche Margaritas trinken konnte. Die Bar war immer gut besucht und ganz nach meinem Geschmack. Bis auf den Namen: Sie hieß MeTime.
    Nicht, dass ich etwas gegen die Zeit auszusetzen hätte, die man sich für sich selber nimmt. Im Gegenteil. Die Vorzüge der Me-Time sind nicht zu überschätzen. Vorab für Eltern. Weil Kinder es so an sich haben, dass sie einfach da sind. Genau da, wo man selber gerade ist. Und von da gehen sie die ersten zehn Jahre auch kaum mehr weg. Die familiäre Dosis Ich-Zeit ist derart gering, dass irgendwann der Tag kommt, an dem man gern mal wieder allein auf die Toilette möchte. Allein ins Kino gehen. Allein in seinen Gedanken sein. Me-Time gehört also genau wie der Schlaf zu den größten Kostbarkeiten der Elternschaft. Doch die Karriere des Wortes verhält sich leider umgekehrt proportional zur Me-Time, die Menschen sich heute auch tatsächlich noch gönnen. Vorab solche in Familien.
    Das Me-Time-Glaubensbekenntnis verfolgt einen, beginnt man erst einmal darauf zu achten, auf Schritt und Tritt. Die Werbewelt und vorab die Babyindustrie hat die Idee vollkommen vereinnahmt und sie bis zur Sinnlosigkeit entleert: Ein Stück Me-Time für jeden Tag – verspricht die Werbung für ein Duschgel. Ein Glas Grüntee ist neuerdings nichts weniger als koffein- und kalorienfreie Me-Time. Das Zeitschriftenabo wird zur Me-Time, die sich jeder leisten sollte. Die richtige Windel verspricht den Eltern etwas mehr Me-Time in der Nacht. Und nach einem anstrengenden, aber wunderbar glücklichen Tag inmitten der Kinderschar darf Mama ihre müden Beine in eine Hängematte falten und sich eine Kinderschnitte gönnen. Fehlt nur noch der ungestörte Gang auf die Toilette! Me-Time par excellence!
    Seit wann, fragte ich mich, sind ganz normale Tätigkeiten wie Lesen, Duschen, Essen oder Schlafen zur Freizeitaktivität geworden? Zu Auszeiten, die man sich bewusst gönnen muss, wenn die Kinder gerade bei der Oma sind oder frisch gewickelt? Ist die tägliche Dusche oder das Lesen einer Zeitschrift wirklich so ungeheuerlich, dass wir dafür unsere Freizeit oder Me-Time opfern müssen? Hat uns der Nachwuchs so sehr im Griff, dass eine Margarita den fast schon verwegenen Höhepunkt eines Erwachsenenurlaubs darstellt? Haben Eltern irgendwann im letzten Jahrzehnt Aufzucht mit Selbstaufgabe verwechselt?
    Offenbar. Am Strand vor dem Haus jedenfalls wurden die Sandburgen von einem ein Meter großen Alleinherrscher regiert und von mindestens drei erwachsenen Sklaven jeden Alters gebaut. Mütter fütterten ununterbrochen, mahnten, putzten, lobten und rieben ihre Jungschar mit Sunblocker ein. Bücher lesen sah man ausschließlich Kinder oder Kinderlose. Und mich. Ich gönnte mir doch tatsächlich 455 Seiten Me-Time und fühlte mich kein bisschen schlecht dabei. Ich glaube nämlich nicht, dass ich den Bau jeder einzelnen Sandburg begleiten und auf Video dokumentieren muss, damit die Kinder sich dereinst an die Ferien erinnern. Ich glaube, dass Ferien auch für Mütter und Väter tatsächlich und wirklich Auszeit bedeuten, und nicht bloß Alltag mit Tapetenwechsel und auf ein Gläschen Margarita und ein Bikini-Waxing rationierte Me-Time. Und ich glaube, dass sich Kinder ab einem gewissen Alter, das doch beträchtlich unter der Volljährigkeit liegt, auch mal alleine beschäftigen können.
    Nicht gerade revolutionär, dieser Gedanke, ich weiß.

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