Macho Man: Roman (German Edition)
ist; die Dekopalmen sind dreimal größer im Bild als Aylin und ich); das zweite ist eine Großaufnahme, auf der wir uns küssen (das Foto habe ich selbst mit ausgestrecktem Arm gemacht, dadurch sind die Köpfe ganz unten, und darüber das Schild »Nicht vom Beckenrand springen« in fünf Sprachen).
Bei der Passkontrolle bekomme ich noch einmal eine Lektion in puncto Macho-Verhalten: Trotz einer beträchtlichen Warteschlange nimmt sich der Beamte, der eine verspiegelte Sonnenbrille trägt, gut und gerne fünf Minuten Zeit pro Reisepass. Dabei starrt er mit einem »Ich bin wichtig«-Blick, der durch die Spiegelgläser nur zu erahnen ist, auf seinen Bildschirm. Dann hämmert er urplötzlich seinen Stempel so wuchtig aufs Papier, als gäbe es beim »Hau den Lukas« einen Bordell-Gutschein zu ergattern, und schiebt anschließend den Pass mit demonstrativer Gleichgültigkeit zurück.
Dieses Ritual wiederholt sich gut zehnmal, bis ich nach einer Stunde endlich an der Reihe bin. Der Grenzbeamte hat nicht bedacht, dass sich in der Sonnenbrille sein Monitor spiegelt. So sehe ich, dass er mitnichten mit der Passkontrolle beschäftigt ist, sondern mit einem Computer-Autorennen. Gerade überschlägt sich sein Wagen mehrfach. Das ist die Erklärung für die Wucht beim Stempeln: Bei jedem Crash lässt er seine Wut an einem Reisepass aus.
Ich betrete den Flieger und schaue auf meine Boarding-Karte: Seat 22 B. Ich muss mich also durchs ganze Flugzeug schieben und habe nur einen Wunsch: nicht wieder neben dem Typen von der Deutschen Vermögensberatung. Da sehe ich ihn schon von Weitem sitzen. O nein, ich bin bei Reihe 14, und er sitzt nochmindestens sechs Reihen weg – das wird eng. Reihe 15, Reihe 16, Reihe 17 ... Der Typ von der Vermögensberatung hat mich erkannt und wendet den Kopf ab. Reihe 18, Reihe 19 ... Yes, er sitzt in Reihe 20! Und ich sitze ... neben der Blondine, die mit dem kompletten Animations-Team geschlafen hat.
Zum ersten Mal in meinem Leben sitze ich im Flugzeug neben einer attraktiven Frau, und mein einziger Gedanke ist: Hoffentlich schaltet die Dummbratze * ihr Handy bald aus. Aber offenbar bin ich Zeuge eines Weltrekordversuchs im Schnell-Simsen. Ich bin beeindruckt, in welch atemberaubender Geschwindigkeit man mit vier Zentimeter langen Fingernägeln eine winzige Nokia- Tastatur bedienen kann. Ich zähle in fünf Minuten nicht weniger als 21 geschriebene und 27 empfangene SMS, die unter anderem folgenden Dialog enthalten:
• HDZFG
• GGG
• HASE
• VERMINI
• IKDÜWDGH
• ILDÜWDGH
• YY
• GS
Für SMS-Unkundige, hier die Übersetzung:
• Hab dich zum Fressen gern
• Ganz großes Grinsen
• Habe Sehnsucht
• Vergiss mich nicht
• Ich küsse dich überall, wo du's gern hast
• Ich lecke dich überall, wo du's gern hast
•Yammi yammi
• Große Sehnsucht (könnte auch ›geiler Stecher‹ oder ›ge-
piercte Schamlippen‹ heißen, da bin ich unsicher)
Zu allem Überfluss hat die Blondine auch noch ein weibliches Stöhnen als SMS-Signalton, sodass die übrigen Fluggäste denken, dass ich es ihr gerade heimlich besorge. Nach der 44. empfangenen SMS kommt endlich die Stewardess und bittet meine Sitznachbarin höflich, das Handy abzuschalten. Schmollend fügt sie sich in ihr Schicksal, blättert dann gut eine halbe Minute gelangweilt im Board-Shop-Magazin, bis sie sich schließlich mir zuwendet.
»Hi. Ich bin Viviane.«
»Daniel.«
»Ey, warst du nicht auch im Rixa Diva?«
»Ja.«
»Ey, ist das ein geiles Hotel oder ist das kein geiles Hotel?«
»Ja, ich fand's auch schön.«
»Ey, einfach nur geil. Aber so richtig geil. Geil, geil, geil.«
Ich dachte eigentlich, Bruce und Bongo hätten das Wort »geil« Ende der 80er-Jahre mit ihrem unfassbar dämlichen Nummereins-Hit Everybody's geil ins linguistische Grab gesungen. Hoffentlich bleiben späteren Generationen wenigstens »turbogeil«, »endgeil« und »geilomat« erspart.
»Boah, und die Animateure – erste Sahne, absolut erste Sahne. Ey, türkische Männer ... Geil, einfach geil!«
»Was, würdest du sagen, haben türkische Männer, was wir deutschen nicht haben?«
»Naja... Sex-Appeal.«
»Sex-Appeal.«
»Genau: Sex-Appeal. Weißte, das sind einfach Männer, die machen nicht lange rum, so ›Darf ich dich einladen‹, ›Darf ich dich anfassen‹, ›Darf ich dich küssen‹, blablabla ... Die machen's einfach.«
Interessant. Einfach machen. Ich fürchte allerdings, diese Regel gilt nicht für
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