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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Ergebnis ist: Man hält mich jetzt für einen dreisten Fresssack. Ich könnte heulen. Aber heulende Männer sind für türkische Frauen vermutlich nur dann akzeptabel, wenn sie zu arabeskerMusik jammern und dabei von Autos überfahren werden. Also versuche ich es mit Humor:
    »Tja, dann bestelle ich mir am besten im Internet das Trikot von Trabzonspor, damit meine Sympathiewerte wieder steigen.«
    »Hey, super Idee!«
    Vielleicht hätte ich die Ironie deutlicher zum Ausdruck bringen sollen.
    »Ach Daniel, eins hab ich vergessen: Meine Mutter hat noch gesagt, wir sollen unbedingt morgen kommen, weil Tante Emine für uns aus dem Kaffeesatz lesen will.«
    Ich verzichte darauf zu fragen, um welche Emine es sich handelt.
    »Aus dem Kaffeesatz lesen?! Warum?«
    »Na, damit die Familie weiß, ob wir auch zusammenpassen.«
    »Ach so ... Ihr glaubt doch nicht an so was, oder?«
    »Doch, klar.«
    »Haha, du verarschst mich.«
    »Nein. Tante Emine kann das. Sie hat bis jetzt immer die Wahrheit vorhergesagt.«
    »Aber dir ist schon klar, dass das, äh, ja, also, dass das wissenschaftlich, äh, also, dass das dann doch eher so ... Quatsch ist.«
    »Emine hat den Tod meiner Oma vorhergesagt, sie wusste, wie viele Kinder meine Eltern kriegen, und sogar den Lottogewinn von Onkel Mustafa hat sie aus dem Kaffeesatz herausgelesen.«
    »Ja, kann schon sein, aber so was ist Zufall, versteh doch ...«
    »Ich weiß, ihr Deutsche glaubt nicht daran. Wir Türken schon.«
    »Ja aber ... Was ist denn, wenn Tante Emine jetzt sagt: ›Nö, sorry, die zwei passen nicht zusammen‹?«
    »Das wird sie nicht sagen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil wir doch sehr gut zusammenpassen.«
    »Okay, aber nur mal angenommen, Tante Emine sagt, dass wir nicht zusammenpassen, was passiert dann?«
    »Tja, dann müssen wir uns halt trennen.«
    Ich schlucke. Was hat Aylin da gerade gesagt? Meine Knie werden weich. In ihrem Blick sehe ich: Das war leider kein Scherz.
    »Was??? Wie kannst du das so einfach ... das gibt's doch gar nicht!!!«
    »Hey, bleib mal cool, Daniel.«
    »Ich soll cool bleiben??? Du machst gerade unsere Beziehung vom puren Zufall abhängig, und ich soll cool bleiben?!?«
    »Das hat doch nichts mit Zufall zu tun.«
    »Aber sie liest aus dem Kaffeesatz! Das ist nasses Kaffeepulver. Das gehört in die Biotonne, aber man kann doch nicht...«
    »Du kannst ihr vertrauen. Sie ist richtig gut.«
    »Eben. Das macht mir noch mehr Sorgen. Dass du das glaubst. Aber ich ... ich ... du bist das Wichtigste für mich. Ich liebe dich. Unser Glück kann doch nicht von Kaffeepulver abhängen!!!«
    »Ich liebe dich auch, Daniel. Und unser Glück hängt definitiv nicht vom Kaffeesatz ab.«
    Moment mal – hat sie gerade »Ich liebe dich« gesagt?! Ja, das hat sie.
    Moment mal – habe ich davor auch »Ich liebe dich« gesagt?! Ja, das habe ich.
    Mein Herz wummert. Ich bin von mir selbst überrascht. Sicher, ich wollte ihr das irgendwann sagen. Aber doch nicht in einer Starbucks-Filiale.
    Wir schauen uns an. Wir sind beide gerührt. Es ist völlig egal, wo wir sind – wir lieben uns!
    Unsere Lippen nähern sich vorsichtig und wir küssen uns zärtlich. Dass die Kassiererin über Lautsprecher »Daniel, dein tall Chai Latte mit Raspberry-Shot ist fertig« brüllt, mindert die Kuss-Qualität nur geringfügig. Langsam lösen sich unsere Zungen voneinander, und wir schauen uns aus wenigen Zentimetern tief in die Augen.
    »Aylin?«
    »Ja?«
    »Ich liebe dich wirklich.«
    »Ich liebe dich auch, Daniel. Wirklich.«
    »Versprich mir, dass wir uns nicht wegen des Kaffeesatzes trennen, ja?!«
    »Ich verspreche es dir.«
    »Danke. Du weißt gar nicht, wie mich das erleichtert.«
    »Verstehst du: Der Kaffeesatz würde nur anzeigen, dass unsere Beziehung unter keinem guten Stern steht, und dann müssten wir uns trennen. Das wäre aber nicht wegen des Kaffeesatzes, das wäre einfach unser Schicksal.«
    »WAS???«
    »Verstehst du? Der Kaffeesatz löst das Schicksal nicht aus. Er zeigt das Schicksal nur an.«
     
    Ich sacke auf meinem Stuhl zusammen. Sosehr ich mir auch wünsche, dass das hier nur ein übler Scherz ist – Aylin meint es ernst. Und zwar bitterernst. Ihre ganze Familie wird Tante Emine glauben – egal, was sie sagt. Esoterik war für mich immer die Freizeitbeschäftigung von psychisch labilen Sozialpädagoginnen in der Midlife-Crisis ... 17 Aber hier habe ich eine wunderschöne Frau Mitte 20 vor mir, die ohne erkennbare Symptome psychischer

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