Macho Man: Roman (German Edition)
Vallaha, ich schwöre, ist sehr wichtig für dich.«
Mit diesen Worten lässt mich Tante Emine stehen. Vielleicht werde ich gerade verrückt, aber ich habe das komische Gefühl, ich sollte ihre Worte ernst nehmen.
18 Liebe Grammatik-Freaks, ich hätte natürlich auch »des Barbarossaplatzes« schreiben können, aber über dem Genitiv seine Verwendung hat man im Hause Kiepenheuer & Witsch ganz eigene Ansichten.
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16
Ich stehe mitten in unserem Büro. Lysa, Karl und Ulli schauen mich mit großen Augen an. Ich bin so richtig in Fahrt.
»Also: Zwei Männer trinken Kaffee. Einer koffeinhaltigen, einer koffeinfreien. Schnitt auf eine alte osmanisch gekleidete Frau. Sie sagt: ›Tassen umdrehen!‹ Dann liest sie beiden aus dem Kaffeesatz. Dem Mann mit dem koffeinhaltigen Kaffee sagt sie alle möglichen Krankheiten voraus: Herzinfarkt, Gicht, Parkinson, und vor allem: Potenzprobleme – alles. Und dem Typen mit dem koffeinfreien prophezeit sie ein langes glückliches Leben und wilde Sexorgien ... Was meint ihr?!«
Die drei schauen mich beeindruckt an. Lysa reagiert als Erste:
»Wow. Das ist cool. Das ist... das ist cool.«
»Kaffeesatz lesen, geil! Auf was für Ideen du immer kommst...«
Das war Karl. Ich werde überschwänglich für meine Phantasie gelobt. Natürlich suggeriert mein Werbespot, dass koffeinfreier Kaffee gesünder ist als koffeinhaltiger, und natürlich weiß ich, dass diese Aussage zumindest zweifelhaft ist. Aber die Wahrheit interessiert in der Werbebranche kein Schwein. Bei Southern Comfort zum Beispiel zeigt die Werbung idyllische Südstaaten-Bilder und nicht Onkel Bernd, der nachts hackebreit vor der verschlossenen Haustür steht und minutenlang in sein Handy-Display grabscht, weil er den Schlüssel greifen will, der die aktivierte Tastensperre symbolisiert. Oder bei Beck's Gold, da sehen wir gut gelaunte schlanke junge Menschen in der Sonne bei einem lustigen Segeltörn und nicht fette alte Säcke, die um drei Uhr nachts gegen die Kirchenmauer pinkeln. Werbung ist immerLüge. Warum soll ich dann nicht behaupten, dass koffeinfreier Kaffee gesund ist?! Das ist noch vergleichsweise nah dran an der Wahrheit – immerhin verringert er das Diabetesrisiko.
»Stimmt es wirklich, dass Gicht, Parkinson und Potenzprobleme durch koffeinhaltigen Kaffee verursacht werden?«
»Quatsch, Ulli. Das hab ich mir doch nur ausgedacht.«
»Aber wie kommst du denn darauf?«
»Hey, das waren die ersten Krankheiten, die mir eingefallen sind. Ich hätte auch Cholera, Gastritis und Schuppenflechte nehmen können.«
»Du weißt, dass ich immer gerne Kaffee getrunken habe. Jetzt kann ich nie wieder Kaffee trinken. Du bist so rücksichtslos!«
Es hat einfach keinen Sinn, mit Ulli über so was zu diskutieren. Aber außer ihm sind alle in der Firma von meiner Spot-Idee begeistert. Ich bekomme sogar ein Sonderlob von Rüdiger Kleinmüller.
»Sehr gutes Thinking, Daniel. Das ist genau das Thirty-Seconds-Storytelling, das ich meine. Jetzt muss ich das nur noch vom Auftraggeber gegreenlighted kriegen, dann können wir mit dem Spot ins Shooting gehen.«
Ich freue mich natürlich über das Lob, frage mich aber gleichzeitig, warum er nicht gleich Englisch spricht. Zur Belohnung dürfen wir früher ins Wochenende gehen – was mir sehr recht ist, denn ich will unbedingt Aylin treffen. Diesmal entscheide ich mich bewusst gegen Starbucks und überlege, welcher Ort in Köln nett sein könnte. Eins ist klar: Der Barbarossaplatz muss mindestens drei Kilometer weg sein, es darf nicht in der Altstadt sein (zu viele Touristen), nicht an den Ringen (zu viele Bergheimer), nicht im Studentenviertel (zu viele grölende Besoffene), nicht in der Nähe des Ebertplatzes (erinnert zu stark an den Barbarossaplatz), nicht in Marienburg (zu schick), nicht außerhalb des Gürtels (zu weit außerhalb), nicht rechtsrheinisch (geht für den Linksrheiner an sich gar nicht), und mein Stammlokal Filos scheidet aus, weil es von Griechen betrieben wird und ich nicht weiß, ob Aylin die Haltung ihres Vaters teilt. Da fällt mir ein lauschiges Plätzchen in der Südstadt ein: ein kleines Lokal mit mediterraner Küche und Außengastronomie unter einer großen Platane, das abendsmit Laternen und Lichterketten beleuchtet wird – gut, der Name lässt einen nicht gerade von Lavendelfeldern in romantischen Provence-Tälern träumen: Haus Müller. Der passt eher zu einer Baumarktkantine oder dem Frühstücksraum eines Stundenhotels, ist aber in diesem
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