Machos weinen nicht
sehen. Nackte Malaien saßen um mich herum. Einige von ihnen trugen nur einen Lendenschurz. Ihre Rippen weckten Assoziationen an die Mumie, die im Ägyptischen Saal der Eremitage liegt. Allerdings waren meine Zechgenossen nicht so gut genährt.
Aus dem Gras ragten eine riesige Flasche und ein Berg klein geschnittener Früchte. Ich ahnte dunkel, dass der Alkohol von meinem Geld bezahlt worden war. Es gab einen Becher für alle – alt, aus Karton, mit abgekauten Rändern. Getrunken wurde reihum.
Links von mir saß ein schon ganz grauhaariger kleiner Alter. Er hatte – wie heißt das noch – zerebrale Lähmung? Jede seiner Extremitäten lebte ihr eigenes Leben. Wenn die Reihe an ihn kam, gossen die Malaien ihm aus der Flasche ein und erstarrten. Er streckte den widerspenstigen Arm zum Becher aus. Der Arm verrenkte sich lange und wollte nicht gehorchen.
Ich brach in lautes Gelächter aus.
Der Alte bekam den Becher schließlich doch noch zu fassen. Die Flüssigkeit schwappte über und bespritzte die ringsum Sitzenden. Die Malaien schwiegen und senkten den Blick. Aus dem Becher flogen weiter Tropfen heraus. Alle waren schon ganz nass. Ich lachte noch lauter.
Endlich hatte er die Reste des Alkohols in seinen schief eingekerbten Mund gegossen. Die Falten seines Gesichts gerieten sofort in chaotische Bewegung. Der Paralytiker richtete seine kubische Hand lange – sehr lange – auf die Früchte. Alkohol zu trinken und nichts dazu zu essen war ihm nicht möglich. Alle schwiegen. Ich schlug die Malaien auf den Rücken und fragte, warum sie nicht lachten.
Ein kräftiger Kerl mit knotigen Muskeln unter seiner grauen Haut erklärte mir, bevor er die nächste Portion ausschenkte, in einem Gemisch von wenigen englischen und sehr vielen malaiischen Worten, dass der grauhaarige Exzentriker sein Vater sei. In seinem Land sei es nicht üblich, über seine Eltern zu lachen. Man müsse sie respektieren, ob ich das verstünde? Ich erwiderte, da scheiß ich drauf. Solange er, der Mistbock, auf meine Rechnung trinke, werde ich tun, was ich wolle! Ob das klar sei?! Ja oder nein?!
Ich wachte um vier Uhr morgens in meinem eigenen Zimmer auf. Erkannte ganz deutlich, dass ich gleich Hungers sterben würde, und stürzte zur Kantine. Sie war geschlossen. Ich rannte zum Tor hinaus. Schweißiger, dichter Nebel verhüllte die Straßen. Schon drei Meter weiter konnte man nichts mehr erkennen. Wenn sich aus dieser weißen Finsternis ein tropisches, menschenfressendes Ungeheuer auf mich stürzte, wäre ich absolut schutzlos.
Es war heiß, ich aber bedeckte mich mit Reif. Ich lief immer schneller. Was tat ich hier? Darüber nachzudenken machte mir Angst. Um mich abzulenken, dachte ich mir, wie Winnie Puh, Verse im Takt zu meinen Schritten aus. Kaum erfunden, waren sie schon wieder vergessen. Ich erinnere mich nur noch, dass es darin um zwei zottige, sich gegenseitig beschnuppernde Wesen namens Stocher und Loch ging.
Ich saß mit Papauskas in einem Pub. Plötzlich fiel mir auf, dass er sich den Schweiß mit einer schmutzigen Schlabberunterhose abwischte. Nach jedem Schluck holte er sie aus der Tasche seiner Jeans und wischte sich damit ab. In meinen Taschen entdeckte ich morgens manchmal ganze Warenlager bunter Wegwerffeuerzeuge. Aber manchmal fand ich auch keine. Eine Gesetzmäßigkeit konnte ich nicht feststellen. Darüber dachte ich sehr konzentriert nach und bekam deshalb gar nicht mit, weshalb die Schlägerei begann.
Alle brüllten. Möbel knackten. Jemand versuchte, den Kopf schützend, zum Ausgang zu gelangen. Papauskas hielt mit beiden Händen einen Stuhl mit Metallbeinen. Drei Einheimische warfen Flaschen nach ihm und versuchten, ihn in die Ecke zu treiben.
Ich wusste genau, wie ich jetzt handeln musste. Ohne die Zigarette aus den Fingern zu nehmen, musste ich dem zunächst stehenden Malaien in die Augen stechen. Wenn er sich geblendet krümmen und vor Schmerz brüllen würde, musste ich ihn zu Boden schlagen und ihm mehrere Male mit der Spitze des schweren Halbschuhs gegen die Schläfe treten. Ich musste den Dreckskerl töten. Er musste krepieren. Im fetten Boden verfaulen. Zu Humus werden.
»S-saukerl!«
Schwere Schuhe hatte ich nicht an den Füßen, nur Strandsandalen. Von hinten stürzten sich gleichzeitig mehrere heiße Körper auf mich. Eine Zeit lang sah ich nur den voll gespuckten, mit Asche übersäten Fußboden. Mit den Armen umfasste ich einen riesigen, summenden Kopf. Irgendwo unter der Decke schwirrte die winselnde
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