Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
Rest der kurzen Fahrt verbrachten sie schweigend.
Die folgenden achtundvierzig Stunden waren wohltuend hektisch. Während sich Annie um die Vorbereitungen der – wie sie es nannte – „angemessenen“ Beerdigung kümmerte, nahm Rachel Anrufe aus ganz Kalifornien und sogar aus Europa von den Menschen entgegen, die ihr Beileid aussprechen wollten, weil Hannah in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatte. Sogar der sonst so schroffe Monsieur Fronsac hatte ein Beileidstelegramm geschickt.
Nach der Beerdigung bat Hannahs langjähriger Anwalt Ambrose Cavanaugh die Familie einschließlich Sam und Tina, ihm in Grandmas Arbeitszimmer zu folgen, wo er ihnen das Testament verlas.
Wie erwartet, hatte Hannah diejenigen großzügig berücksichtigt, die ihr über die Jahre hinweg so treue Dienste geleistet hatten: zwei Diener, die seit Jahren im Ruhestand waren, und Ming, die momentane, äußerst tüchtige Haushälterin, die den Spaulding-Haushalt besser geführt hatte als Hannah selbst.
Sam, dessen Freundschaft sie sehr geschätzt hatte, erbte ein Gemälde von Raoul Duffy, das er oft bewundert hatte. Es zeigte ein Weingut in Bordeaux, wo Sam in den frühen fünfziger Jahren in die Lehre gegangen war. „Neben diesem Gemälde“, hatte sie ausdrücklich erklärt, „überlasse ich ihm die zweifelhafte Ehre, auf meine Mädchen aufzupassen.“
Rachel warf Sam einen kurzen Blick zu und sah, wie er mit dem Handrücken eine Träne wegwischte.
Tina erbte ihr antikes Royal-Doulton-Porzellan, und Hannah dankte ihr für die zahlreichen Einladungen zum sonntäglichen Mittagessen und dafür, dass sie sie immer zum Lachen gebracht hatte.
Ein leises, aber nicht zu überhörendes Seufzen veranlasste Rachel, nach links zu sehen. Dort saß Annie und trommelte ungeduldig mit ihren langen, lackierten Fingernägeln auf ihren Schoß.
Als hätte Ambrose diesen Seufzer ebenfalls gehört, blickte er auf und räusperte sich. „Und nun“, sagte er leise, „zu Hannahs übrigem Nachlass.“ Er lächelte Courtney an und las vor: „,Meiner lieben und wundervollen Urenkelin Courtney vermache ich ein Treuhandvermögen in Höhe von einer Million Dollar, das ihr in Raten ab dem einundzwanzigsten Geburtstag ausgezahlt wird. Daneben hinterlasse ich ihr meine Perlenkette sowie die dazu passenden Ohrringe, die sie immer so bewundert hat. Du musst sie dir nicht mehr ausleihen, Darling. Sie gehören jetzt dir.’“
Als Courtney einen Schluchzer unterdrückte, tätschelte Rachel sanft die Hand ihrer Nichte. Sie kannte niemanden, der besser geeignet gewesen wäre, um Grandmas wunderschöne Perlen zur Schau zu stellen.
Ambrose wartete einen kurzen Augenblick, dann fuhr er fort: „,Meiner ersten und sehr geliebten Enkelin Annie hinterlasse ich ebenfalls die Summe von einer Million Dollar und das Haus, in dem sie geboren wurde. Es ist mein vordringlichster Wunsch, dass diese vertraute Umgebung sie immer daran erinnert, wie sehr ich sie geliebt habe.’“ Wieder machte er eine kurze Pause. „,Und meiner Enkelin Rachel, die keinen Wert auf Geld legt und die mich noch nachträglich umbringen würde, wenn ich versucht hätte, ihr auch nur einen Cent zu vererben, hinterlasse ich das, was ihr am meisten am Herzen liegt – Spaulding Vineyards.’“
Während Rachel schockiert den Mund aufmachte, sprang Annie auf. „Was?“ Mit schneeweißem Gesicht marschierte sie zu dem Schreibtisch, an dem Ambrose saß. „Was haben Sie gesagt?“
Der Anwalt nahm seine Brille ab. „Hannah hat Rachel das Weingut vererbt“, sagte er, während sein Blick verriet, dass er sich innerlich auf einen Kampf vorbereitete.
„Das kann sie nicht machen.“ Annie schlug mit den Handflächen so heftig auf die Tischplatte, dass ein antikes Tintenfässchen zu tanzen begann. „Das Weingut gehört mir! Das hat sie mir gesagt, jeder weiß das.“
„Hannah hat vor zwei Jahren ihr Testament geändert“, erklärte Ambrose.
„Warum sollte sie ihr Testament ändern? Sie wusste, wie viel mir das Weingut bedeutet.“
„Wir können später über die Gründe sprechen. Unter vier ...“
„Mom“, warf Courtney ein. „Ambrose hat Recht. Du kannst das später klären.“
Annie stampfte mit dem Fuß. „Ich will das jetzt klären, verdammt noch mal. Warum hat sie ihr Testament geändert?“
Ambrose machte einen unbehaglichen Eindruck. „Sie hatte Vorbehalte, Annie, was Sie und Ihren Lebenswandel angeht. Und Ihre mangelnde Bereitschaft, sesshaft zu werden. Sie hatte Angst, dass Ihre wilde
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