Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
eingesetzt hätte. Aber wie konnte sie ihre Tochter vor diesem Mann warnen, ohne sich zu verraten?
„Darling“, sagte sie und nahm Courtneys Hand. „Ich weiß, dass du dir vorgenommen hast, mit Ryan zum Ball zu gehen, aber ... ich glaube, das ist keine gute Idee.“
Courtney riss ihre Hand zurück. „Warum nicht?“
„Weil er viel älter ist als du.“
„Das war Daddy auch, aber das hat dich nicht abgehalten.“
„Ich war dreiundzwanzig, als ich deinem Vater begegnete. Du bist noch ein Kind. Ryan ist ein Mann, und er hat die Bedürfnisse eines Mannes ...“
Trotzig warf Courtney ihre langen blonden Haare nach hinten über die Schulter. „Ich bin kein Kind mehr, Mom. Ich wünschte, du würdest aufhören, mich so zu nennen.“
Mit Tränen in den Augen erinnerte sich Annie an das kleine Mädchen mit den Zöpfen, das noch vor wenigen Jahren versucht hatte, in ihren hochhackigen Schuhen zu gehen und erwachsen zu spielen. Dieses kleine Mädchen war jetzt eine junge Frau, und sie, Annie, hatte die gesamte Phase dazwischen verpasst.
„Ich weiß, dass du kein Kind mehr bist, Darling. Das habe ich sehr schlecht ausgedrückt. Aber du musst mir in dieser Sache vertrauen, ich habe viel mehr Erfahrung in solchen Dingen als du.“
„Was hat Erfahrung damit zu tun? Ich will Ryan nicht heiraten oder mit ihm schlafen, wenn du davor Angst hast. Ich möchte nur mit ihm zum Herbstball gehen.“
Annie entschloss sich zu einer anderen Taktik. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum er dich noch nicht gefragt hat?“
„Er weiß ja nicht mal, dass ich existiere“, sagte Courtney und machte einen Schmollmund.
„Vielleicht“, versuchte Annie es in ihrem freundlichsten, diplomatischsten Tonfall, „hat er ja auch eine Freundin und will mit ihr zum Ball gehen.“
„Nein, er hat keine Freundin. Tante Rachel hat ihn noch nie mit jemandem gesehen. Sie wollte ihn deswegen sogar fragen, aber ich glaube, sie hat es im Trubel der letzten Zeit vergessen.“
Annie verschluckte sich beinahe. „Rachel hat dir dabei geholfen, dich mit Ryan zusammenzubringen?“
„Was ist denn daran verkehrt? Sie mag Ryan sehr. Sie meint sogar, ich solle die Initiative ergreifen. Und das werde ich auch machen.“
Annie saß einige Sekunden lang vor Wut kochend einfach nur da. Das war wieder typisch für Rachel, sich zur falschen Zeit einzumischen. Sie holte mehrmals tief Luft. Als sie wieder normal atmen konnte, zwang sie sich, die Situation ruhig und rational zu betrachten. Das hatte sie in letzter Zeit des Öfteren versäumt. Es war vermutlich nicht allein Rachels Schuld. Courtney konnte manchmal unnachgiebig sein, und wenn ihre Mutter keine Zeit für sie hatte, war es nur natürlich, dass sie die Tante um Rat fragte, die sie liebte. Woher sollte Rachel wissen, dass Ryan eigentlich eine Schlange war?
„Hör zu, Darling, es tut mir wirklich Leid, dass ich nicht für dich da war, als du mich gebraucht hast. Ich erkenne jetzt, dass ich einen schrecklichen Fehler gemacht habe. So sehr ich jetzt auch will, dass du glücklich bist und mir wieder vertraust ...“ Sie schüttelte den Kopf. „Es geht nicht. Ich kann dir nicht erlauben, mit Ryan Cummings auszugehen.“
Wut funkelte in Courtneys Augen. „Du kannst mir das nicht verbieten, dazu hast du kein Recht!“
„Ich bin deine Mutter“, erwiderte sie. „Das gibt mir jedes Recht.“
„Seit wann?“ Courtney ging erkennbar auf Konfrontationskurs. „Es hat dich noch nie interessiert, was ich mache, mit wem ich ausgehe oder wo ich überhaupt bin. Warum interessierst du dich auf einmal dafür?“
Die Worte taten weh, aber sie hatte sie wahrscheinlich auch verdient. „Weil ich nicht will, dass du verletzt wirst, und das würdest du, wenn du mit diesem Mann ausgehst.“
„Wie kannst du so über Ryan reden?“ schrie Courtney. „Du kennst ihn doch gar nicht.“
Bevor Annie sie aufhalten konnte, war Courtney bereits aus dem Zimmer gestürmt.
„Weißt du, Daddy, es ist so.“ In der gut besuchten Snackbar in Downtown hatten Gregory und Noelle wie oft nach ihrem Gymnastikunterricht einen Halt eingelegt. „Mom braucht mich im Augenblick.“
Zwar hatte Gregory erwartet, dass sich das Gespräch in diese Richtung bewegen würde, dennoch war er ein wenig enttäuscht. Seit seiner letzten Unterhaltung mit Noelle hatte er ernsthaft darüber nachgedacht, um das volle Sorgerecht für seine Tochter zu bitten, allerdings nicht über den Weg eines hässlichen Gerichtsverfahrens, sondern im
Weitere Kostenlose Bücher