Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
abwertend gemeint, wie die Worte es vermuten ließen.
„Und diesmal ist es ins Auge gegangen.“ Während ihr Blick auf den Flammen ruhte, die um die Holzscheite züngelten, erzählte Rachel Annie von Ryans Reaktion, als sie ihn gefragt hatte, und wie sie vermutet hatte, er sei mit einer verheirateten Frau liiert. „Ich hielt den Mund und hoffte, dass Courtney ihn vergessen würde. Offenbar ist das nicht geschehen.“
Annie starrte in ihren Drink und schwieg.
„Sie braucht dich morgen früh, Annie.“
„Du machst Witze. Sie wird mich nie wieder sehen wollen.“
Rachel stand auf und ging zu Annie. Mit einem Mitgefühl, wie sie es lange nicht mehr empfunden hatte, legte sie einen Arm um die Schultern ihrer Schwester. „Courtney ist eine intelligente, nachsichtige junge Frau, Annie. Und sie liebt dich, ob du das glaubst oder nicht. Sei einfach ehrlich zu ihr, so wie du zu mir ehrlich warst, und dann wird alles wieder gut werden.“
Tränen sammelten sich in Annies Augen. „Und was ist mit uns, Rachel? Wird mit uns auch alles gut werden?“
Rachel lächelte. „Ich glaube schon. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt sind wir doch noch auf dem richtigen Weg. Meinst du nicht auch?“
Annie nickte.
„Gut.“ Rachel sah auf ihre Uhr. „Was hältst du denn davon, wenn du jetzt zur Party zurückkehrst und einen deiner berühmten großen Auftritte hinlegst und unseren Gästen irgendetwas erzählst, um ihre Neugier zu stillen und ohne sie zu sehr zu beunruhigen?“
Annie lachte trocken auf. „Du könntest mich ebenso gut bitten, ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen.“
Rachel zog sie an sich heran. „Bau da draußen Mist“, flüsterte sie ihr ins Ohr, „und ich werde dich höchstpersönlich aus dem Flugzeug stoßen.“
40. KAPITEL
Dank Annie, die die Menge mit ihrem Charme und Witz schnell verzaubert hatte, war der Ball ein voller Erfolg geworden. Anscheinend hatte keiner der anwesenden VIPs an der improvisierten Nebenvorstellung Anstoß genommen. Die meisten hatten sie sogar verpasst, und als sie schließlich davon erfuhren, war es schon Schnee von gestern.
Den Sonntagmorgen genossen Gregory und Rachel mit einem gemütlichen Frühstück in ihrem Bungalow. Milton rief an und sagte, dass man Sals Blut in Nicos Wagen gefunden hatte. Damit blieb Nico in Haft, und die Anklage gegen Ginnie wurde fallen gelassen. Da sie sich aber immer noch wegen des Mordes an Mario verantworten musste, hatte man sie angewiesen, die Stadt vorläufig nicht zu verlassen.
Jetzt stand eine neue Woche bevor, und Rachel machte sich für die Arbeit am Montagmorgen bereit, als sie den Rest der Lokalnachrichten auf ihrem Fernseher in der Küche mitbekam. Auf dem Bildschirm sah sie Erica, die sichtlich erschüttert die Kameraleute beiseite schob, während sie die Polizeiwache von Calistoga verließ.
„Oh, Erica“, murmelte Rachel. „Dich habe ich völlig vergessen.“ Sie zögerte nur eine Sekunde lang, dann nahm sie den Hörer und wählte die Nummer der Dassantes. Die Leitung war besetzt, und Rachel war ein wenig enttäuscht. Ob Erica mit jemandem sprach? Oder hatte sie einfach nur den Hörer daneben gelegt?
Anstatt darüber zu spekulieren, nahm sie ihren Regenmantel aus dem Schrank und verließ das Haus. Zuerst würde sie nach Courtney sehen, danach würde sie nach Winters fahren, um Erica einen Besuch abzustatten.
Augenblicke später saß sie bereits in ihrem Cherokee und fuhr langsam, aber mit konstanter Geschwindigkeit durch den Regen, während die Scheibenwischer hektisch arbeiteten. Eine Unwetterfront war über Nacht über das Land hereingebrochen und hatte heftige Regenfälle und schwere Stürme mitgebracht, die das Autofahren riskant machten.
Als Rachel die Stadtgrenze von Winters erreicht hatte, entdeckte sie einen Bäcker und nahm zwei Muffins mit, in der Hoffnung, Erica dazu zu bewegen, etwas zu essen.
Wegen der düsteren Wolken waren in dem alten Steingebäude etliche Lampen eingeschaltet worden, als Rachel ihren Jeep neben Ericas BMW parkte. Mit der Papiertüte aus der Bäckerei in der Hand und der Kapuze über dem Kopf lief sie durch den Regen zur Haustür.
Als Erica öffnete, musste Rachel feststellen, dass sie gar nicht so mitgenommen aussah, allenfalls ein wenig müde.
Rachel lächelte sie vorsichtig an. „Ich dachte, du könntest ein wenig Gesellschaft gebrauchen.“ Sie hielt die Tüte hoch. „Ich hoffe, du magst Muffins.“
Erica lächelte, konnte aber ihre Erschöpfung nicht überspielen.
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