Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
vierundzwanzig Stunden immer noch nicht aufgetaucht ist, rufen Sie mich an.“
„Herzlichen Dank.“ Gregory ließ das Telefon zuschnappen.
Er hatte gerade die Ausläufer des Tals erreicht, als er daran dachte, Courtney anzurufen. Sie und Rachel verstanden sich gut, vielleicht wusste sie etwas, was sonst niemand wusste.
Nach ihrer Stimme zu urteilen ging es Courtney inzwischen schon wieder viel besser. „Sie war heute Morgen kurz hier, um zu sehen, wie es mir geht“, sagte Courtney. „Aber ich habe gedacht, dass sie danach zur Arbeit gefahren ist.“ Sie klang besorgt, als sie fragte: „Ist sie nicht im Büro?“
„Nein.“
„Oh.“ Es folgte eine Pause, dann: „Warte mal, sie hat davon gesprochen, bei Erica nachzufragen, wie sie sich fühlt. Ich weiß bloß nicht, ob sie sie anrufen oder ob sie bei ihr vorbeifahren wollte. Ich weiß nur, dass sie sich Gedanken um sie gemacht hat.“
Endlich jemand, der seinen Verstand benutzte. „Danke, Courtney, ich versuchs dort.“
Unter der Nummer der Dassantes meldete sich nur der Anrufbeantworter. Angesichts des Medienauflaufs, der Erica nach Nicos Verhaftung ins Haus stand, wollte sie vermutlich nicht ans Telefon gehen.
Er wendete und fuhr nach Winters.
Rachel blickte entsetzt auf die Waffe in Ericas Hand. „Erica, bitte, leg die Waffe weg. Du löst überhaupt nichts, wenn du ...“
„Halt deine Klappe.“ Ericas Gesicht war schneeweiß, doch die Hand, mit der sie die Waffe auf Rachels Bauch richtete, war völlig ruhig. „Nico hatte Recht. Du hättest deine Mutter nach Frankreich zurückschicken sollen. Sie hat nur Leid über uns alle gebracht.“
Rachel versuchte, äußerlich eine Gelassenheit zur Schau zu stellen, von der sie innerlich Welten entfernt war. „Nico hat Sal nicht ermordet“, sagte sie und schaffte es, den Blick von der Waffe zu lösen und Erica anzusehen. „Du warst es.“
„Bingo“, erwiderte Erica lächelnd.
„Hast du auch Mario umgebracht?“
Erica zuckte mit den Schultern. „Es kann nicht schaden, wenn ich es dir sage, du wirst so oder so gleich sterben. Ja, ich habe Mario getötet.“
Rachel klammerte sich mit beiden Händen an die Küchentheke hinter sich. „Ich hatte dich nie im Verdacht. Wie konntest du nur so ...“
„...so falsch sein?“ Wieder reagierte Erica unbekümmert. „Ich hatte genug Zeit zum Üben. Was denn? Warum siehst du mich so überrascht an? Meinst du etwa, ich hätte diesen hässlichen Riesenaffen aus Liebe geheiratet? Ich hasse ihn fast so sehr wie die dreiunddreißig Jahre, die ich in diesem Mausoleum gelebt habe.“
Rachel ging einen Schritt zurück. „Und warum hast du ihn geheiratet?“ Vielleicht konnte sie sie in ein Gespräch verwickeln und genug Zeit gewinnen, um einen Fluchtplan zu entwickeln, auch wenn die Situation kaum dafür sprach. Auf der einen Seite versperrte Erica den Weg durch die Küchentür, auf der anderen Seite war die Terrassentür fest verschlossen. Ein Schritt in diese Richtung, und Erica würde sie erschießen.
„Geld, Rachel“, erwiderte Erica. „Du kannst das wahrscheinlich nicht verstehen, weil du immer Geld hattest. Aber ich bin in Slums aufgewachsen, in denen Mädchen wie ich so gut wie alles tun, um die Chance auf ein gutes Leben zu bekommen.“ Sie lachte. „Und das habe ich getan. Ich habe mich prostituiert. Ich habe einen Mann geheiratet, den ich verabscheute, und ich bin in ein Haus gezogen, das mir eine Gänsehaut bereitet.“
Ihre Augen bekamen einen milden Ausdruck. „Ich hätte es kein Jahr ausgehalten, wenn da nicht Mario gewesen wäre.“
Rachel zog die Augenbrauen einen Moment lang zusammen, bis sie die Wahrheit erkannte. „Du hast Mario geliebt?“
Ericas Lächeln nahm verträumte Züge an. „Ich war verrückt nach ihm. Er war der wunderbarste Mann, den ich je gesehen habe. Ich habe immer und immer wieder versucht, ihn das spüren zu lassen. Aber ich hätte auch mit einer Wand flirten können.“ Ihre Augen wurden wieder unerbittlich. „Der Mann, den ich liebte, blieb mir wegen einer Schlampe für immer vorenthalten.“
Diese Bemerkung versetzte Rachel einen weiteren Schlag. „Ich dachte, du hättest Alyssa gemocht. Du hast mir gesagt ...“
„Ich habe sie gehasst! Sie hatte alles, was ich nicht hatte. Sie war schön, charmant, leidenschaftlich. Und sie hatte Marios Liebe.“ Sie machte einen Schritt nach vorn und fuchtelte mit der Waffe herum, während sie weitersprach. „Sie war diejenige, die ich hätte töten sollen. Vielleicht
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