Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
dazu gezwungen.“
„Das ist nicht wahr“, erwiderte Annie aufgebracht. „Er lügt.“
„Sie lügt!“ Er strampelte, während ihm Handschellen angelegt wurden. „Verdammt, Crowley, das müssen Sie mir glauben.“
„Erzählen Sie das dem Richter“, entgegnete der und gab ihm einen Schubs.
Nachdem sie gegangen waren, nahm Gregory Rachel in die Arme. Einen Moment lang blieb sie dort, während ihr Körper bebte und sie ihre Hände zu Fäusten geballt gegen seine Brust drückte. Sie fragte sich, wie viel mehr sie noch ertragen konnte.
Dann dachte sie an Courtney, atmete aus und befreite sich aus Gregorys Umarmung. „Ich bringe Courtney auf ihr Zimmer“, sagte sie leise. „Danach muss ich mit Annie reden.“ Sie sah ihn an. „Bleibst du noch?“
„So lange, wie du mich brauchst.“
Von der Musik abgesehen, die von draußen hereindrang, war es im Haus ruhig, als Rachel ins Wohnzimmer kam, nachdem sie Courtney ins Bett gebracht hatte.
Annie stand vor dem Kamin, in dem die Holzscheite knisterten. Das leuchtende Feuer bildete einen krassen Gegensatz zu der düsteren Stimmung, die im Zimmer herrschte.
Zwei Schwestern, für die wieder mal der Augenblick der Wahrheit gekommen ist, dachte Rachel, während sie Annie betrachtete. Wo sollte das alles enden? Wie viele Leben mussten noch zerstört werden, wie viele weiße Westen mussten noch beschmutzt werden, bevor dieser Unsinn zwischen ihnen endlich zur Ruhe kam?
Sie wollte Annie anschreien, nicht nur, weil sie an einem Mordkomplott gegen sie beteiligt war und Spaulding in eine peinliche Situation gebracht hatte, sondern vor allem, weil sie Courtney so verletzt hatte. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Irgendetwas an der Art, wie Annie dastand, die Arme um sich geschlungen, die Schultern hochgezogen, berührte Rachel so tief in ihrem Inneren, dass sie es nicht ignorieren konnte.
Sie ging einige Schritte weiter ins Zimmer, woraufhin sich Annie zu ihr umdrehte, einen Blickkontakt aber vermied. „Geht es Courtney gut?“
„Ja. Morgen früh wird sie einen entsetzlichen Kater haben, aber jetzt schläft sie erst mal.“
„Hat sie noch irgendetwas gesagt?“
„Ich habe sie nichts sagen lassen, sondern gleich ins Bett gesteckt.“ Rachel blieb nehmen Annie stehen. „Du hast dagegen eine ganze Menge zu sagen und zu erklären.“
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, erwiderte Annie.
„Am Anfang. Das ist meistens am besten.“
„Du würdest mir nicht glauben.“
„Ach, das weiß ich nicht. Du hast mir in all den Jahren einige ziemlich unglaubliche Geschichten erzählt, bei denen ich mich im Zweifel oft für deine Version entschieden habe.“
Annie drehte sich schließlich um und betrachtete Rachel, als würde sie sie zum ersten Mal sehen. Dann ging sie langsam hinüber zu Grandmas Schaukelstuhl, wollte sich hineinsetzen, überlegte es sich dann aber anders und nahm im Sessel daneben Platz. „Du darfst im Schaukelstuhl sitzen“, sagte sie.
„Wie du willst“, erwiderte Rachel und wartete darauf, dass Annie zu reden begann.
Annie starrte in die züngelnden Flammen. „Ich erwarte nicht, dass du verstehst, wie ich mit einem vierzehn Jahre jüngeren Mann ein Verhältnis anfangen konnte, aber ich werde versuchen, es dir zu erklären. Du hast die Wahrheit verdient.“
„Das wäre schön.“
Sie atmete tief durch. „Nach Grandmas Tod war ich am Boden zerstört. Ich weiß ...“ , sagte sie nach einem kurzen Blick in Rachels Richtung. „Das waren wir alle, aber ich ganz besonders, weil ich das Gefühl hatte, dass ich meine letzte Verbündete verloren hatte. Grandma war der einzige Mensch, der mir beistand, ganz egal, was ich gemacht hatte, der einzige Mensch, der mich trotz aller meiner Fehler liebte.“
Rachel war zwar wütend, musste aber gegen die Gefühle ankämpfen, die drohten, ihr gelassenes Äußeres zum Einsturz zu bringen. Hatte diese Frau in den letzten einunddreißig Jahren denn gar nichts gelernt? „Ich liebe dich auch, Annie. Und Courtney liebt dich ebenfalls.“
„Nicht so wie Grandma. Sie hat mich bedingungslos geliebt.“ Sie griff nach ihrer goldverzierten Handtasche und nahm ein Taschentuch heraus, um sich eine Träne zu trocknen. „Als sie dir das Weingut hinterließ, war ich davon überzeugt, dass sie mich überhaupt nicht geliebt hatte.“
„Das ist doch völliger Unsinn.“
„Aber mir kam es so vor. Ich fühlte mich verraten und allein gelassen.“
„Und darum hast du Gregory aufgesucht.“
Annie
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