Macht (German Edition)
Verminderung der Flottenausgaben eintritt – sofern man einen findet; oder man kann an die Zeitungen offene Briefe mit dem Vorschlag schreiben, Seeleute sollten von nun an Besuchern gegenüber höflicher sein. Mehr als das aber kann man nicht tun.
Aber, sagt man, das Schlachtschiff gehört einem kapitalistischen Staat, wenn es einem Arbeiterstaat gehören wird, wird alles anders sein. Diese Ansicht scheint mir einen Mangel an Verständnis für die Tatsache zu beweisen, dass wirtschaftliche Macht heute mehr eine Angelegenheit der Regierung als eine des Besitzes ist. Wenn, sagen wir, die United States Steel Corporation von der Regierung der Vereinigten Staaten übernommen werden würde, brauchte sie immer noch Leute, die sie leiten; das würden entweder die gleichen sein, die sie heute verwalten, oder Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten und Zielen. Die Haltung, die sie heute gegenüber den Aktieninhabern zeigen, würden sie dann gegenüber den Bürgern einnehmen. Zwar würden sie der Regierung unterstehen, aber sofern diese nicht demokratisch und von der öffentlichen Meinung abhängig wäre, würde sie einen Standpunkt vertreten, der dem der Beamten ganz ähnlich sein würde.
Die Marxisten haben als Ergebnis der Autorität von Marx und Engels noch viel von der Denkweise behalten, die in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts üblich war. Sie betrachten Unternehmen immer noch so, als ob sie einzelnen Kapitalisten gehörten, und haben nicht die Lehren begriffen, die sich aus der Trennung von Eigentum und Kontrolle ableiten lassen. Die wichtige Persönlichkeit ist der Mann, der die wirtschaftliche Macht kontrolliert, und nicht der Mann, der einen Bruchteil des nominellen Eigentums besitzt. Downing Street Nr. 10 gehört nicht dem Ministerpräsidenten, und Bischöfen gehören nicht ihre Paläste; es wäre aber absurd, aus diesem Grunde zu behaupten, dass sie nicht besser wohnten als der durchschnittliche Lohnempfänger. In jeder nichtdemokratischen Form des Sozialismus verfügen diejenigen, die die wirtschaftliche Macht kontrollieren, ohne etwas zu »besitzen«, über palastartige offizielle Residenzen, über die schönsten Wagen, einen fürstlichen Unterhalt, Ferien auf Staatskosten in offiziellen Ferienunterkünften und so weiter und so weiter. Und warum sollten sie sich um den gewöhnlichen Arbeiter mehr kümmern als die, die heute am Ruder sind? Dafür ließe sich kein Grund finden, sofern nicht der gewöhnliche Arbeiter über die Macht verfügt, sie aus ihren Stellungen zu vertreiben. Dazu zeigt die Unterordnung des kleinen Geldgebers in den bestehenden großen Verbänden, wie leicht es für den Beamten ist, die Demokratie an die Wand zu drücken, selbst wenn die »Demokratie« aus Kapitalisten besteht.
Daher ist die Demokratie nicht allein wesentlich, wenn Staatsbesitz und Staatskontrolle in wirtschaftlichen Unternehmen für den Durchschnittsbürger irgendwie vorteilhaft sein sollen, sondern sie wird auch eine wirksame Demokratie sein müssen, und das wird schwieriger sein, als es heute ist, weil die Beamtenklasse, wenn sie nicht sorgfältig überwacht wird, die Macht in sich vereinen wird, die heute Regierung und führende Männer der Industrie und Finanz besitzen, und da die Mittel der Agitation gegen die Regierung von der Regierung selbst geliefert werden müssen – denn sie ist ja der einzige Besitzer von Sälen, Papier und allen sonstigen Propagandamitteln.
Während daher Staatseigentum und Staatskontrolle in der ganzen großen Industrie und Finanz notwendige Bedingungen für die Zähmung der Macht sind, sind sie weit davon entfernt, ausreichende Bedingungen darzustellen. Sie müssen von einer tiefer gehenden Demokratie ergänzt werden, von einer Demokratie, die sorgfältiger vor offizieller Tyrannei geschützt ist und über größere Propagandafreiheit verfügt als jede bisher bestehende rein politische Demokratie.
Die Gefahren des von der Demokratie getrennten Staatssozialismus sind durch die Entwicklung der Dinge in der UdSSR beleuchtet worden. Es gibt Leute, deren Haltung gegenüber Russland den Charakter eines religiösen Glaubens trägt; für sie ist es gottlos, selbst die Tatsachen zu untersuchen, die beweisen, dass in diesem Land nicht alles in Ordnung ist. Aber das Zeugnis früherer Enthusiasten wird immer überzeugender für solche, deren Vernunft klar geblieben ist. Die geschichtlichen und psychologischen Argumente, mit denen wir uns in früheren Kapiteln befasst haben, haben gezeigt,
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