Macht (German Edition)
wirtschaftlichen Macht völlig durch den Staatsbesitz an Boden und Kapital und auf keinem anderen Wege gelöst werden würde. Dies ist ein Vorschlag für die Zähmung der wirtschaftlichen Macht und kommt damit ins Blickfeld unserer Diskussion.
Bevor ich das Argument untersuche, möchte ich geradeheraus sagen, dass ich es für gültig ansehe, vorausgesetzt, dass die notwendigen Einschränkungen und Erweiterungen hinzukommen. Dagegen halte ich es bei Abwesenheit dieser Einschränkungen und Erweiterungen für höchst gefährlich – es könnte dann leicht diejenigen, die nach Befreiung von wirtschaftlicher Tyrannei streben, so völlig in die Irre führen, dass sie sich schließlich unversehens unter einer neuen, zugleich wirtschaftlichen und politischen Tyrannei finden würden, strenger und schrecklicher als jede bis dahin bekannte.
Zunächst einmal ist »Eigentum« nicht dasselbe wie »Kontrolle«. Wenn – sagen wir – der Staat eine Eisenbahn besitzt und der Staat als die Gesamtheit der Bürger angesehen wird, so bedeutet das an sich nicht, dass der Durchschnittsbürger irgendwelche Macht über die Bahn haben wird. Wir wollen für einen Augenblick uns dem zuwenden, was Berle und Means über Besitz und Kontrolle in den großen amerikanischen Verbänden sagen. Sie weisen nach, dass bei der Mehrheit solcher Verbände alle Direktoren zusammen in der Regel nur ungefähr ein oder zwei Prozent der Aktien besitzen und doch tatsächlich eine vollständige Kontrolle ausüben:
»Bei der Wahl des Aufsichtsrats hat der Aktienbesitzer gewöhnlich drei Möglichkeiten. Er kann sich von der Abstimmung fernhalten, er kann die Jahresversammlung abwarten und persönlich für seine Aktie stimmen, oder er kann ein Schriftstück unterzeichnen, durch das er sein Stimmrecht auf einige Personen überträgt, die die Verbandsleitung ausgewählt hat – das Vertretungskomitee. Da seine persönliche Stimme bei der Versammlung nur wenig oder gar nicht zählen wird, sofern er nicht über sehr viele Aktien verfügt, steht der Aktienbesitzer praktisch vor der Wahl, gar nicht zu stimmen oder seine Stimme an Personen abzutreten, über die er keine Kontrolle und an deren Auswahl er keinen° Anteil hat. In keinem Falle wird er imstande sein, irgendeine Kontrolle auszuüben. Eher wird die Kontrolle in den Händen derer liegen, die das Vertretungskomitee wählen ... Da das Vertretungskomitee von der bestehenden Leitung ernannt wird, kann dieses tatsächlich seine eigenen Nachfolger anderen diktieren.«
Die in dem obenstehenden Abschnitt beschriebenen hilflosen Leute sind, wie man festhalten soll, keine Proletarier, sondern Kapitalisten. Sie sind Teileigentümer des betreffenden Verbandes in dem Sinne, dass sie legale Rechte besitzen, kraft derer sie es mit Glück zu einem bestimmten Einkommen bringen können. Infolge des Fehlens einer Kontrolle aber ist dieses Einkommen sehr unsicher. Als ich 1896 zum ersten Mal die Vereinigten Staaten besuchte, verblüffte mich die enorme Zahl von bankrotten Eisenbahnen; als ich der Sache nachging, fand ich, dass dieser Umstand nicht der Unfähigkeit der Direktoren, sondern ihrer Geschicklichkeit zuzuschreiben war: Die Investierungen der durchschnittlichen Aktieninhaber waren durch diesen oder jenen Trick auf andere Kompanien übertragen worden, an denen die Direktoren stark interessiert waren. Das war eine brutale Methode, und heutzutage fasst man die Dinge vorsichtiger an, das Prinzip aber bleibt dasselbe. In jedem großen Verband ist die Macht notwendigerweise weniger verteilt als der Besitz und bringt Vorteile mit sich, die, obwohl zunächst politischer Natur, in unbegrenztem Ausmaß zu Quellen des Reichtums werden können. Der kleine Geldgeber kann höflich und legal beraubt werden; die einzige Grenze besteht darin, dass seine Erfahrungen nicht so böse sein dürfen, dass er schließlich seine zukünftigen Ersparnisse in den Strumpf steckt.
Die Situation ändert sich in keiner Weise wesentlich, wenn der Staat die Stelle des Verbandes einnimmt; da es der Umfang des Verbandes ist, der die Hilflosigkeit des durchschnittlichen Aktieninhabers verursacht, ist in der Tat der Durchschnittsbürger dem Staat gegenüber noch hilfloser. Ein Schlachtschiff ist öffentliches Eigentum, wenn man aber aus diesem Grunde versuchen sollte, legale Rechte geltend zu machen, würde man bald zurechtgewiesen werden. Man hat allerdings ein Mittel dagegen: Man kann bei den nächsten Wahlen für einen Kandidaten stimmen, der für eine
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