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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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1000. Damals wurde Papst Silvester II. als Magier angesehen, weil er Bücher las. Er war infolgedessen imstande, die Macht der Kirche zu vergrößern, indem er übersinnliche Furcht um sich verbreitete.
    Der Intellektuelle, so wie wir ihn kennen, ist ein geistiger Nachkomme des Priesters, aber die Ausbreitung der Bildung hat ihn der Macht beraubt. Die Macht des Intellekts beruht auf Aberglauben: hier ist die Reverenz, die man einem traditionellen Gesang oder einem heiligen Buch erweist. Davon ist noch manches in Ländern englischer Sprache lebendig, wie man es aus der englischen Haltung gegenüber dem Krönungszeremoniell und der amerikanischen Verfassungsverehrung ersehen kann. Dementsprechend haben der Erzbischof von Canterbury und die Richter des Obersten Gerichtshofes noch etwas von der traditionellen Macht gelehrter Männer. Das ist allerdings nur ein schwacher Schatten der Gewalt ägyptischer Priester oder chinesischer konfuzianischer Scholaren.
    Während die hervorstechende Tugend des »gentleman« Ehre ist, heißt die des Mannes, der Macht durch Studium erlangt, Weisheit. Um einen Ruf als Weiser zu bekommen, muss man den Anschein haben, dass man einen bedeutenden Vorrat tiefer Kenntnisse besitzt, seine Leidenschaften meistern kann und eine lange Erfahrung in menschlichen Angelegenheiten sein eigen nennt. Alter an sich wird schon als etwas betrachtet, was diese Eigenschaften verleiht; daher verbindet sich Respekt mit den Begriffen des Kirchenvorstands (presbyter), des »seigneur«, des Stadtrats, des »Ältesten«. Ein chinesischer Bettler redet Vorbeigehende mit »großer alter Herr« an. Aber wo die Macht weiser Männer organisiert ist, besteht ein Zusammenschluss von Priestern und Literaten, bei denen alle Weisheit versammelt zu sein scheint. Der Weise ist ein vom ritterlichen Krieger ganz verschiedener Charakter und schafft eine ganz andere Gesellschaft, wo er die Herrschaft innehat. China und Japan zeigen diesen Gegensatz.
    Wir haben bereits die merkwürdige Tatsache zur Kenntnis genommen, dass, obwohl Wissen in der Zivilisation heute eine größere Rolle spielt als je zuvor, kein entsprechendes Anwachsen der Macht unter den des Wissens Teilhaftigen festzustellen ist. Obwohl der Elektriker und der Telefonarbeiter seltsame Dinge tun, die zu unserem Behagen (oder Unbehagen) beitragen, sehen wir sie nicht für Medizinmänner an oder stellen wir uns nicht vor, dass sie Gewitter verursachen könnten, wenn wir sie ärgern. Der Grund dafür liegt darin, dass wissenschaftliche Kenntnisse, obwohl schwierig zu erwerben, nichts von Geheimnis an sich haben, sondern dass sie allen erreichbar sind, die sich der notwendigen Arbeit unterziehen. Der moderne Intellektuelle flößt daher keine Furcht ein, sondern bleibt lediglich ein Angestellter; mit wenigen Ausnahmen – der Erzbischof von Canterbury sei hier genannt – ist der strahlende Glanz, der seinen Vorgängern Macht verlieh, nicht auf ihn übergegangen.
    Die Wahrheit verhält sich so, dass die gelehrten Männern gezollte Hochachtung niemals dem eigentlichen Wissen galt, sondern dem angenommenen Besitz zauberischer Kräfte. Die Wissenschaft, die eine gewisse reale Bekanntschaft mit Naturvorgängen vermittelt, hat den Glauben an die Magie zerstört und damit den Respekt für den Intellektuellen. So ist es gekommen, dass Wissenschaftler, die in entscheidendem Maße die unsere Zeit von früheren Zeiten unterscheidenden Züge geprägt und durch ihre Entdeckungen und Erfindungen einen unmessbaren Einfluss auf die gesamte Entwicklung gehabt haben, als Personen einen geringeren Ruf besitzen als ein nackter Fakir in Indien oder ein Medizinmann in Melanesien. Die Intellektuellen wurden mit der modernen Welt unzufrieden, da sie ihr Prestige als Ergebnis ihrer eigenen Tätigkeit schwinden sahen. Die mit der geringsten Unzufriedenheit gehen zum Kommunismus über; die anderen schließen sich in ihren elfenbeinernen Turm ein.
    Das Wachstum großer wirtschaftlicher Organisationen hat einen neuen Typ der machtvollen Persönlichkeit hervorgebracht: den »executive«, wie man ihn in Amerika nennt. Der typische »executive« beeindruckt andere als ein Mann schneller Entscheidungen, sofortiger Einsicht in den Charakter seines Gegenübers und als ein Mensch von eisernem Willen. Er muss einen starken Unterkiefer, zusammengepresste Lippen und die Gewohnheit kurzer und eindringlicher Rede besitzen. Er muss fähig sein, Gleichgestellten Achtung und Untergebenen, die keineswegs Nullen

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