Macht (German Edition)
entwickelte, so war der Prozess in Ägypten und Babylonien bereits in der frühesten Zeit, von der wir Kunde haben, beendet. Die große Pyramide ist wahrscheinlich vor dem Jahre 3000 v. Chr. aufgerichtet worden, und ihr Bau kann nur einem König möglich gewesen sein, der ungeheure Macht über seine Untertanen besaß. Babylonien hatte in jener Zeit eine Anzahl Könige, von denen keiner ein Gebiet beherrschte, das man mit dem Ägyptens hätte vergleichen können; aber sie waren in ihren jeweiligen Gebieten durchaus Machthaber. Vor dem Ende des dritten Jahrtausends vor Christi Geburt haben wir den großen König Hammurabi (2123-2081 v. Chr.), der all das tat, was ein König tun sollte. Er ist am besten durch sein Gesetzbuch bekannt, das ihm der Sonnengott gab, und er zeigt, dass ihm gelang, was mittelalterlichen Monarchen nie gelang, nämlich die kirchlichen den bürgerlichen Gerichten unterzuordnen. Aber er zeichnete sich auch als Soldat und als Baumeister aus. Vaterländische Dichter sangen den Ruhm seiner Eroberungen:
Zu aller Zeit hat Stärke er gezeigt,
Der große Krieger Hammurabi, König,
Er warf den Feind, ein Sturmwind in der Schlacht.
Vom Land den Gegner fegend, Krieg verbreitend,
Er schlug Rebellen nieder und zerstörte
Gleich irdnen Puppen Schlechtgesinnte.
Offen Lag vor ihm undurchdringliches Gebirg.
Er verzeichnete selbst seine Bewässerungsarbeiten: »Als Anu und Enlil (ein Gott und eine Göttin) die Länder von Sumer und Akkad meiner Herrschaft gaben und ihr Szepter in meine Hand legten, grub ich den Kanal Hammurabi-Überfluss-des-Volkes, der Wasser in die Under von Sumer und Akkad führt. Das verstreute Volk von Sumer und Akkad sammelte ich, Weide und Wasser gab ich ihnen; ich weidete sie mit Fülle und Überfluss und gab ihnen friedliche Hütten, darin zu wohnen.«
Das Königtum hat als Einrichtung seine äußersten Entwicklungsgrenzen in Ägypten um die Zeit der großen Pyramide und in Babylonien um die Zeit Hammurabis erreicht. Spätere Könige haben über größere Territorien geherrscht, aber keiner besaß eine vollkommenere Herrschaft über sein Königreich. Die Macht der ägyptischen und babylonischen Könige wurde nur durch fremde Eroberung beendet, nicht nur inneren Aufstand. Sie konnten es sich allerdings nicht leisten, mit der Priesterschaft in Streit zu geraten, da die Unterwerfung ihrer Untertanen von der religiösen Bedeutung der Monarchie abhängig war, aber dies ausgenommen, war ihre Autorität ohne Grenzen.
Die Griechen entledigten sich in den meisten Städten ihrer Könige als politischer Herrscher vor oder bei Beginn der geschichtlichen Zeit. Die römischen Könige sind prähistorisch, und die Römer bewahrten während ihrer ganzen Geschichte eine unbesiegliche Abneigung gegen den Namen eines Königs. Der römische Kaiser im Westen war niemals ein Monarch im vollen Sinne des Wortes. Sein Ursprung war außergesetzlicher Art, und er hing immer vom Heer ab. Zivilisten gegenüber konnte er sich als Gott bezeichnen, für die Soldaten blieb er immer ein General, der angemessene Gaben austeilte oder nicht austeilte. Mit Ausnahme gelegentlicher kurzer Perioden war die Kaisermacht nicht erblich. Die wirkliche Gewalt lag immer bei der Armee, und der Kaiser war nur der von ihr für die Gegenwart Erwählte.
Die barbarische Invasion führte die Monarchie wieder ein, mit einem Unterschied allerdings. Die neuen Könige waren die Häupter der germanischen Stämme, und ihre Macht war nicht absolut, sondern hing immer von der Mitarbeit eines Ältestenrates oder einer ähnlichen Körperschaft ab. Wenn ein germanischer Stamm eine römische Provinz eroberte, wurde sein Anführer König und seine hervorragendsten Gefährten wurden Adlige mit einem gewissen Maß von Unabhängigkeit. Daraus entstand das feudalistische System, das alle Monarchen Westeuropas der Gnade unruhiger Barone überlieferte.
Die Monarchie blieb infolgedessen so lange schwach, bis sie das Übergewicht über Kirche und Feudaladel bekam. Die Ursachen für die Schwächung der Kirche haben wir bereits dargestellt. Der Adel zog im Kampf mit dem König in England und Frankreich den Kürzeren, da er ein Hindernis für die Errichtung einer regelrechten Regierung war. In Deutschland entwickelten sich seine Führer zu Marionettenkönigen, was dazu führte, dass Deutschland Frankreich auf Gnade und Ungnade ausgeliefert war. In Polen dauerte die aristokratische Anarchie bis zur Teilung an. In England und Frankreich waren nach dem
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